© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/20 / 10. April 2020

Grüße aus Rio
Eine Seefahrt, die ist ...?
Wolfgang Bendel

Eine Seefahrt, die ist lustig, diesen launigen Spruch kennen wir alle. Gelegentlich aber endet sie wenig erheiternd und weit entfernt vom geplanten Zielort. Die Rede ist hier von einer Kreuzfahrt mit der MSC Sinfonia vom brasilianischen Bundesstaat Santa Catarina aus in Richtung Süden bis Montevideo und Buenos Aires. Von der argentinischen Metropole sollte es dann über Rio de Janeiro bis ins Mittelmeer gehen. Als Endstation war Venedig vorgesehen. Insgesamt 28 Tage.

Das Coronavirus sah die Sache etwas anders. Schon beim Einchecken in Brasilien mußte sich jeder Passagier dem Test einer Wärmebildkamera unterziehen. Aus großer Entfernung klickte ein in Weiß gekleideter Arzt auf seinen Apparat, um sicherzustellen, daß keiner der kontrollierten Urlauber unter erhöhter Temperatur litt. 

„Trübe Gedanken haben keinen Platz, wenn man mitten im Ozean unterwegs ist.

Diese Hürde übersprangen wir jedoch problemlos, so daß dem Vergnügen zunächst nichts weiter im Wege stand. Auch die ersten Landgänge in den Hauptstädten Uruguays und Argentiniens verliefen ohne nennenswerte Vorkommnisse. Wobei wir Glück hatten, denn bereits wenige Tage später wurden beide Häfen für Kreuzfahrtschiffe gesperrt.

Die nächsten Tage auf See vertrieben wir uns die Zeit damit, zu überlegen, wie die Reise weitergehen könnte. Venedig, soviel war uns klar, konnte nicht mehr als Schlußziel dienen. Unsere Überlegungen gingen daher in zwei andere Richtungen. 

Entweder würden wir die südamerikanische Ostküste rauf und runter fahren oder schlußendlich einen anderen Hafen in Europa anlaufen. Wir tippten noch mehrheitlich und voller Illusionen auf Barcelona als Ersatz für Venedig. Daß es Spanien fast so schlimm erwischt hatte wie Italien, wollten wir nicht so recht glauben. Trübe Gedanken haben keinen Platz, wenn man mitten im Ozean unterwegs ist und unsere Welt zunehmend unter einem weißblauen Himmel und dem allgegenwärtigen Meer an Realität verliert. Das Schiff verwandelt sich in einen Kleinplaneten, der allein und losgelöst seine Kreise zieht. 

Wir waren schon etwas überrascht, als uns letztlich doch die Wirklichkeit einholte. Auf der Höhe von Santos hieß es, wir müßten dort das Schiff verlassen. Eine Weiterreise sei unmöglich, da immer mehr Häfen keine Kreuzfahrtschiffe mehr einlassen würden. Als wir im größten Hafen Brasiliens den Boden betraten, wußten wir, die Erde hat uns wieder fest im Griff. Mit all ihren Problemen.