© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/20 / 10. April 2020

Ja zum Tyrannenmord
Glaube und Lebenswirklichkeit: Vor 75 Jahren wurde der Theologe Dietrich Bonhoeffer hingerichtet
Gernot Facius

Wer nicht bis zu seiner Theologie vorgedrungen ist, kennt wenigstens die 7. Strophe seines in der Gestapo-Haft geschriebenen Gedichts „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.“ Dietrich Bonhoeffer suchte vorzuleben, was Ostern bedeutet: Hoffnung, Licht, Entscheidung. „Wer Ostern kennt, kann nicht verzweifeln.“ Von der Auferstehung her leben, „das heißt doch Ostern“, notierte er am 26. März 1944. Glaube und ethische Tat dürften nicht zerrissen werden, predigte der Lutheraner in dunkelster Zeit: „Nicht im Möglichen schweben, das Wirkliche tapfer ergreifen.“

Ein Christ müsse bereit sein, Schuld auf sich zu nehmen, um Schlimmeres zu verhüten, rechtfertigte er nach längerem Nachdenken das Ja zum Tyrannenmord. Schon drei Monate nach Hitlers Machtergreifung, unter dem Eindruck der aufkommenden Judenfeindschaft, trug sich Bonhoeffer mit dem Gedanken, „nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen“. Widerstehen und Beistehen forderte er von seiner evangelischen Kirche – und wurde enttäuscht. Eine Kirche, die Pfarrer entließ, weil sie jüdischer Abstimmung waren, war für ihn keine Kirche mehr. Bonhoeffer engagierte sich für die Bekennende Kirche (BK). Er schloß sich dem Widerstand um Abwehrchef Admiral Canaris an, spann Kontakte ins Ausland. Am 5. April 1944 wird er verhaftet.

Heute gilt er als ökumenischer Übervater

Der Maßstab für Kirche war für Bonhoeffer die Nachfolge Christi als gelebtes Zeugnis in der Welt und für die Welt: „Kirche ist nur dann Kirche, wenn sie für andere da ist.“

Hitler persönlich erließ den Befehl zu Bonhoeffers Ermordung im KZ Flossenbürg am 9. April 1945, acht Tage nach dem Osterfest. Der am 4. Februar 1906 in Breslau geborene Theologe war gerade einmal 39 Jahre alt. Noch am Tag vor seiner Hinrichtung hatte er auf Bitten von Mithäftlingen eine Predigt gehalten.

Heute gilt der Sohn eines Berliner Psychiaters und Klinikchefs auch Katholiken als „ökumenischer Heiliger“, gar als Märtyrer. Daß Kirche nicht missionieren kann, wenn sie nicht selber Mission ist, daß Glaube und Lebenswirklichkeit zusammengehören, daß nur eine dienende Kirche wahrhaftig sein kann, das gehört zu den festen ökumenischen Grundsätzen. Dietrich Bonhoeffer, dessen Lebensthema die Kirche war, nicht die Religion, Kirche also als Lebensform verstanden, ist zu einem ökumenischen Übervater geworden. „Er zog aus der uns Christen gegebenen Freiheit die Konsequenz, für die Freiheit verantwortlich einzustehen“, schrieb sein Biograph Wolfgang Huber, der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). „Das macht seine Person faszinierend, ermutigend und bis heute zum Vorbild.“