© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/20 / 17. April 2020

Auf unsere Stärken besinnen
Die Flexibilität der deutschen Wirtschaft rettet uns vor dem Unvermögen der Politiker
Markus Brandstetter

Der Grüne Anton Hofreiter fällt normalerweise nicht durch gescheite Bemerkungen auf. Aber in Krisen findet auch das sprichwörtlich blinde Huhn manchmal ein ideologisch unverseuchtes Korn. So ging es Hofreiter kürzlich, als er sagte, daß Deutschland im Kampf gegen die Corona-Pandemie noch zu wenig auf den Ausbau der Produktion in Deutschland setzen würde. Hofreiter, in dessen Aussagen die deutsche Industrie ansonsten ausschließlich als Feind, Klimaschädling und kapitalistischer Widersacher vorkommt, hat glatt bemerkt, daß Deutschland ein „hochindustrialisiertes Land mit starkem Maschinenbau“ sei, das „in der Lage sein müsse, Schutzmasken in relevanter Zahl selbst zu produzieren“, was die „Bundesregierung aber viel zu lange schleifen lies.“ Wer hätte das gedacht? 

Wenn einem Grünen-Politiker ganz von selber auffällt, daß wir einen starken Maschinenbau haben und besser der freie Markt und nicht der planwirtschaftende Staat dafür sorgt, daß notwendige Güter produziert werden, dann muß die Not groß und die Zeit in der Tat schlimm sein. Tempora mutantur, nos et mutamur in illis („Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen“). Manchmal passiert das sogar einem Grünen.

Aber Hofreiter hat vollkommen recht: Die deutsche Industrie muß in der Lage sein, Atemmasken, Schutzkleidung und Beatmungsgeräte, wie sie in Epidemien wie der gegenwärtigen notwendig sind, selbst herzustellen. Daß Atemschutzmasken- und Schutzanzüge für medizinisches Personal dieser Tage ausgerechnet aus China eingeflogen werden, ist ebenso peinlich wie lächerlich. Dasselbe Land, das an dieser unfaßbaren Katastrophe schuld ist, spielt sich nun als Retter und medizinischer Musterschüler der Welt auf. Ausgerechnet China, aus dem die Sars-Pandemie von 2002/2003 und die Vogelgrippe kamen und das die im Land seit Jahren grassierende Schweinepest nicht in den Griff bekommt, erteilt dem Rest der Welt Ratschläge, wie bei Seuchen zu verfahren sei und liefert die benötigten Masken dann hinterher. Was für eine Farce. 

Die von der Bundeswehr aufgebaute Luftbrücke nach Shanghai, mit der Millionen Atemmasken aus China nach Deutschland eingeflogen wurden, mag notwendig sein, und wir können froh sein, daß die Bundeswehr immerhin dazu in der Lage ist – ein Offenbarungseid planerischer Inkompetenz ist sie trotzdem. Wir sind auf Pandemien – wie sie seit Jahrzehnten schon aus China und Afrika kommen – nicht vorbereitet.

Ein gutes Beispiel geben Atemschutzmasken der Schutzstufe 2, wie sie medizinisches Personal, das engen Kontakt zu Covid-19-Verdachtsfällen hat, braucht. Die werden zwar von Herstellern angeboten, die alle auch Standorte oder, wie im Falle des Lübecker Unternehmens Drägerwerk, sogar ihren Sitz in Deutschland haben –, aber produziert wird zu einem großen Teil in Asien und da  eben wieder in China.

Daraus läßt sich nur der Schluß ziehen, daß Deutschland zukünftig Schutzausrüstungen und medizinische Geräte in ausreichender Menge und Qualität vorrätig haben muß, damit wir die nächste Pandemie – die ganz sicher kommen wird – gut überstehen. Dafür sind drei Dinge nötig: Pläne, Produktionskapazitäten und Geld. Mit Plänen sind Notfallpläne gemeint und der Glaube an den kommenden Ernstfall, der bislang gefehlt hat. Mit Produktionskapazitäten sind Hersteller in Deutschland gemeint, die alles, was während einer Pandemie gebraucht wird, herstellen können – und zwar hier in Deutschland. Ohne daß drei Viertel der Teile aus China zugekauft werden. Mit Geld ist viel Geld gemeint, denn Gesichtsmasken, die von deutschen Kräften in Deutschland produziert werden, sind in der Herstellung zehnmal so teuer wie die aus China. 

Aber dieses Geld wird man in die Hand nehmen müssen, und so schwer wird das nicht fallen, wenn man sich einmal überlegt, daß auch hier Vorbeugen viel billiger als Heilen ist. Die ganzen Produktionseinbußen, all die Insolvenzen, Pleiten und Kreditausfälle und die daraus resultierenden ungeheuren Steuersummen, die nun fließen müssen, um das Schiff wieder flott zu kriegen, sind unterm Strich viel teurer als die rechten Maßnahmen zur rechten Zeit und damit auch der Ankauf teurer Masken aus heimischer Herstellung gewesen wären.

Die Zurückverlagerung der Produktion medizinischer Schutzausrüstung nach Deutschland bedeutet jedoch keineswegs, daß damit eine Art „Kriegsplanwirtschaft“ gemeint wäre, wie es sie jetzt in Ungarn gibt, wo militärische Koordinierungsstäbe der Regierung in 140 Schlüsselbetriebe entsandt wurden. Die deutsche Wirtschaft – hat sie nur die richtigen finanziellen Anreize – wird produktionstechnisch mit jeder Pandemie fertig und kann den Einsatz von Mitarbeitern, Technologie und Anlagen allein besser planen als jeder Bundesminister. Insbesondere dann, wenn der Peter Altmaier heißt.

Produktion von Katastrophenschutzausrüstung im eigenen Land ist aber nur die eine Sache. Eine ganz andere sind die Pläne, nach denen die Ausrüstung erst produziert und dann eingesetzt wird. Daran hat es bei dieser Pandemie in Deutschland mehr gehapert als an der Ausrüstung selbst. Bereits Ende Januar war klar, daß die Corona-Epidemie auch Deutschland massiv treffen würde. Schon damals hätten Jens Spahn und sein Gesundheitsministerium alle Hebel in Bewegung setzen müssen, um notwendige Schutzausrüstung und Medizintechnik zu bestellen, zu kaufen und zu horten, und sie dann dahin zu schaffen, wo sie am nötigsten gebraucht werden – was nur geklappt hat, weil die deutsche Industrie viel besser als ihre Kritiker ist. Spahn und Konsorten können froh sein, daß wir, wie inzwischen sogar Grüne wissen, ein hochindustrialisiertes Land sind, das eigentlich alles selber produzieren könnte.