© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/20 / 17. April 2020

Frankreich verlängert Ausgangssperre
Verdrängt, nicht gelöst
Jürgen Liminski

Es war die ganz große Bühne. Vor rund 38 Millionen Franzosen – so viele haben noch nie einer Sendung in Frankreich zugeschaut – erklärte Staatspräsident Emmanuel Macron, wie er die Corona-Krise sieht und zu überwinden sucht. Die Vorstellung dauerte 25 Minuten, läßt sich aber in wenigen Sätzen zusammenfassen: Ausgangssperre bis zum 11. Mai, ab dann massive Tests und Masken für alle, konkreter Ausstiegsplan in zwei Wochen, Normalisierung schrittweise bis in den Herbst. De Gaulle hätte dafür fünf Minuten gebraucht. 

Aber Macron brauchte die große Bühne der Krise nicht nur für seine theatralische Dramaturgie. Die Epidemie bietet ihm auch die Kulisse, um andere Probleme zu verdrängen. Da ist zum Beispiel die Rentenreform. Sie drohte die Gesellschaft zu spalten. Da ist das Debakel der trotz Warnungen stattgefundenen Kommunalwahlen, die die Corona-Krise beschleunigten. Da sind die sozialen Unruhen, die die Regierung nicht in den Griff bekam. Und da ist der Haushalt, der schon vor der Krise aus den Fugen geriet. All das kann jetzt auf Sankt Nimmerlein verschoben, für alles ein Sündenbock präsentiert werden. 

Manches indes läßt sich nicht verdrängen. Zum Beispiel der Ramadan. Er fängt auch in Frankreich am 23. April an. Spätestens dann wird sich zeigen, ob die Regierung in den Banlieues und damit auch in Krisenzeiten noch Herr der Lage ist.