© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/20 / 17. April 2020

Ländersache: Thüringen
Für den Mahdi mauern
Paul Leonhard

Von den ursprünglich gepanten hundert Moscheen, die die islamische Ahmadiyya-Gemeinschaft in Deutschland zu errichten gedachte, ist bisher nicht einmal die Hälfte gebaut worden. In Thüringens Landeshauptstadt Erfurt entsteht gerade ihre erste repräsentative Moschee Mitteldeutschlands. Die Grundsteinlegung erfolgte bereits im November 2018 durch Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) – und unter Polizeischutz. Der Landesvater blickte während seiner Festansprache auf Gegendemonstranten und Plakate mit Aufschriften wie „Hier entsteht eine Trutzburg auf dem Eroberungsfeldzug des Islam!“ 

Vorwürfe, die Suleman Malik, Sprecher der Ahmadiyya-Gemeinde, energisch zurückweist. Man wolle Gestalter sein, sagt Malik, sei friedlich und konservativ. Kritiker dagegen bezeichnen die Bewegung, die als am stärksten wachsende muslimische Gruppierung gilt, als intolerante Missionssekte. 

Als sich später keine einheimischen Handwerksfirmen finden, die Aufträge von der Gemeinde annehmen, mußten die Bauarbeiten vorübergehend eingestellt werden. Malik mobilisierte die Gemeindemitglieder. Diese würden nun „Kuppel und das Minarett in Eigenarbeit errichten, ohne Hilfe anderer Handwerker und Firmen“, versicherte er dem Spiegel. Und gegenüber dem Domradio sagte er: „Einige Handwerker wollen ausdrücklich nicht für Muslime und einen Moscheebau arbeiten – und scheuen sich auch nicht, das öffentlich zu sagen. Andere regionale Firmen haben Angst und bekamen Drohungen.“

Jetzt errichten Bauarbeiter aus Hessen die Moschee. In Thüringens Nachbarbundesland bekam die Gemeinschaft, die in Deutschland nach eigenen Angaben rund 45.000 vor allem aus Pakistan stammende Mitglieder hat, bereits 2013 den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuerkannt. Damit einher ging auch ihre Kooperation mit dem Land bei der Einführung des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts an hessischen Schulen. In Frankfurt am Main befindet sich die zentrale Einrichtung der Bewegung, die Nur-Moschee.

Entstanden ist die Ahmadiyya 1889 im damaligen Britisch-Indien. Ihrem Gründer Mirza Ghulam Ahmad (1835–1908) habe eine Offenbarung eröffnet, der Reformer seiner Zeit, der christliche Messias und der islamische Mahdi in einer Person zu sein. Obwohl sich die Bewegung als Teil der sunnitischen Gemeinschaft sieht, wurde den Ahmadis in ihrem Herkunftsland Pakistan 1984 unter Strafe verboten, sich als Muslime zu bezeichnen.

In Erfurt wird gegenwärtig das acht Meter hohe Zierminarett errichtet. Seit wegen des Coronavirus das öffentliche Leben stillsteht und aufgrund zahlreicher Verordnungen keine Versammlungen stattfinden dürfen, gibt es keine Proteste mehr, werden keine mahnenden Holzkreuze aufgestellt, und der Innenausbau in dem einstöckigen Gebäude mit seinen zwei Gebetsräumen und der Wohnung für den Imam geht flott voran. Noch in diesem Jahr soll die Moschee eingeweiht werden und der erste Gottesdienst für die rund 70 Gemeindemitglieder im Freistaat Thüringen stattfinden. Dann wolle man auch mit den Erfurtern verstärkt ins Gespräch kommen und Vorurteile abbauen, so Malik. Die Moschee sei auch für Nicht-Muslime ein Zugangsort, um den Islam besser kennenzulernen.