© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/20 / 17. April 2020

Grüße aus Santiago de Cuba
Wir sind wieder unter uns ;-(
Alessandra Garcia

Das Paradies ist geschlossen. Anfang April ist in Havanna die letzte Rückholmaschine für EU-Ausländer nach Frankfurt/Main gestartet. Wir sind wieder unter uns. Kein hübsches Mädchen, das den Fremden nachstellt. Die Diskotheken, die Museen, die Restaurants, die Schulen, viele Behörden geschlossen. Dafür wie überall auf der Welt landesweites Ausgehverbot, Schutzmaskenpflicht beim Anstehen vor den Geschäften, in denen die Waren des täglichen Bedarfs erneut alle rationiert sind. Daß wir alle einen Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter einhalten, darüber wachen Sicherheitsdienste.

Getanzt wird nur noch zu Hause, keine Küßchen mehr, keine Umarmung, kein Schwatz, wenn Bekannte am eigenen Haus vorbeilaufen und schüchtern winken. Auf den Straßen fahren keine Autos mehr. Staatliche Busse transportieren eine genau abgezählte Anzahl von Menschen zur Arbeit.

Die weißen oder gelben Teufel sind sofort zu melden, damit sie in Quarantäne kommen.

Unser Leben ist noch ärmer geworden. Die Veteranen haben ihre Orden wieder in die Schränke geräumt. Die großen Demonstrationen am 1. Mai sind abgesagt, was es wohl seit dem Sieg der Revolution noch nie gegeben hat.

Trotzdem geht es uns gut, wie uns der TV-Sprecher jeden Abend anhand von Statistiken und Schreckensnachrichten aus aller Welt versichert. Kuba werde auch diese Krise meistern, trotz des Wirtschaftsboykotts. Das steht in der Parteizeitung, die noch immer Großmütterchen (Granma) heißt, seit ein paar Tagen aber in Farbe erscheint. Auch einen neuen Fernsehsender gibt es, ein russisches Programm.

Die bange Frage, wie unser Land ohne die Einnahmen aus dem Tourismus und bei sinkenden Weltmarktpreisen für unsere Bodenschätze sowie wir selbst ohne Überweisungen aus den USA und Europa überleben sollen, wird nicht beantwortet. Müssen bald die Gürtel noch enger geschnallt werden? Geht das überhaupt? Meine Großmutter winkt beruhigend, mit Blick auf meine Kinder bin ich da unsicher. Durch die weltweite Corona-Pandemie ist etwas gelungen, was US-Präsidenten seit 1959 vergeblich versuchen: Kuba vom weltweiten Handel abzuschneiden.

Und für den Fall, daß sich doch noch vereinzelte Ausländer auf unserer Insel herumtreiben, wird im TV eine Telefonnummer eingeblendet. Die weißen oder gelben Teufel sind sofort zu melden, damit sie in Quarantäne kommen. Schließlich haben sie die Seuche in unser „Tropenparadies eingeschleppt“.