© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/20 / 17. April 2020

Ein Generaloberst a.D. formt das Geschichtsbild
Halders Deutungshoheit
(ob)

Kein Historiker, sondern der pensionierte Generaloberst Franz Halder, von 1938 bis 1942 Chef des Generalstabs des Heeres, konnte nach 1945 lange eine Schlüsselstellung in der Geschichtsschreibung über den Zweiten Weltkrieg einnehmen. Eine Position, die er der US-Armee verdankte, die ihn seit 1946 in der deutschen Sektion ihrer Historical Division heranzog, um in Zeiten des heraufziehenden Kalten Krieges zunächst die operativen Erfahrungen der Wehrmacht im Krieg gegen die Sowjetunion zu nutzen. Bis 1961 entstanden unter Halders Leitung zu diesem Zweck 2.000 kriegsgeschichtliche Studien, die keinen „wissenschaftlichen Zielen“ dienten. Sondern neben militärischen vornehmlich geschichtspolitischen, wie der Historiker Paul Fröhlich in seiner Studie über den Einfluß Halders auf die bis in die 1970er fortwirkende westdeutsche Weltkriegsdeutung zeigt (Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 1/2020). Halder habe die Forschung, die Wahrnehmung der Öffentlichkeit sowie das Traditionsverständnis der jungen Bundeswehr insoweit gelenkt – auch durch sein „Kriegstagebuch“ (1962/64) –, wie es ihm gelang, die „Beteiligung der Wehrmacht am Vernichtungskrieg“ totzuschweigen, die Verantwortung der Generalität für die Niederlage auf den „militärischen Dilettanten Adolf Hitler“ abzuwälzen sowie sich und den Generalstab zur Opposition im Führerstaat zu stilisieren. 


 www.ifz-muenchen.de