© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/20 / 24. April 2020

Der Zähler ist zu groß, der Nenner zu klein
Fehlberechnungen des Robert-Koch-Instituts: Die Gefährlichkeit von Corona wird völlig überschätzt
Johannes Eisleben

Wirbel um die Berechnungen des staatlichen Robert-Koch-Instituts (RKI): Im Epidemiologischen Bulletin, der Hauszeitschrift der Bundesbehörde, veröffentlichte das Institut am 15. April eine Schätzung der Reproduktionszahl des Virus über die Zeit. Diese Zahl zeigt an, wie viele Personen ein Infizierter ansteckt; sinkt die Zahl unter 1, verschwindet das Virus aus der Population. Laut RKI lag diese Zahl seit dem 20. März unter 1 – und damit schon vor dem Beginn des bundesweiten umfangreichen Kontaktverbots mit einer nie dagewesenen Einschränkung wirtschaftlicher Tätigkeit. Die Tabelle wurde im ZDF-Heute-Journal am vergangenen Sonntag gezeigt und mit einem kritischen Kommentar unterlegt, auch Spiegel online diskutierte sie in einem Beitrag. Die Kontaktsperren zu verhängen und sie so lange andauern zu lassen, mit Eingriffen in verfassungsmäßige Grundrechte und noch unübersehbaren ökonomischen Folgen – war das von der Bundesregierung verhältnismäßig und zielführend?

Die Angabe der Reproduktionszahl mit unter 1 ist falsch, und zwar zu niedrig, weil nur ein kleiner Teil der Neuinfizierten gemeldet wird und die verwendete Schätzmethode zahlreiche noch nicht abgesicherte Annahmen enthält. Die tatsächliche R-Rate dürfte die ganze Zeit höher gewesen sein und auch heute noch mindestens leicht über 1 liegen.

Die Letalität liegt bei 0,2 Prozent, zeigen Studien

Weiterhin gibt das RKI in seinem Lagebericht vom 21. April einen Anteil der Verstorbenen an den bestätigten Fällen von 3,1 Prozent an. An jenem Dienstag waren es seit Beginn der Diagnostik insgesamt 4.404 Tote. Diese Zahl entspricht nicht der tatsächlichen Letalität des Virus. Denn erstens ist der Zähler des Bruchs zu groß: Es sind nicht alle diese Menschen am Virus gestorben, sondern viele haben zwar bei ihrem Tode Viren in sich, sind aber an anderen Ursachen gestorben. Zweitens ist der Nenner des Bruchs viel zu klein. Das derzeit eingesetzte PCR-Testverfahren wird fast nur bei Verdachtsfällen angewendet. Anders als serologische Verfahren zeigt es nicht den Infektionsstatus des Infizierten an, ist für epidemiologische Zwecke daher schlecht geeignet, weshalb alle Zahlen noch unvollkommen sind.

Doch da 50 Prozent der mit Sars-Cov-2 Infizierten keine und weitere 35 Prozent nur sehr milde Symptome zeigen und weiterhin zahlreiche Patienten aufgrund des Lockdowns trotz etwas ausgeprägterer Symptome nicht zum Arzt gehen, erhalten wahrscheinlich maximal nur etwa fünf bis zehn Prozent der Infizierten einen Test. Daraus ergibt sich, daß die wahre Letalität mindestens zehn bis 20 mal niedriger ist als der Wert, den das RKI berichtet. So berichtet Hendrik Streeck (Bonn) von einer Letalität von 0,3 Prozent, Studien aus Asien eine von 0,1 bis 0,2 Prozent. Das bedeutet, daß Sars-Cov-2 nur so gefährlich ist wie eine schwere Influenzavirus-Infektion. Diese Zahlen nutzt das RKI nicht.

Das RKI weiß um die Ungenauigkeiten seiner Schätzungen. Mit besseren Annahmen unter Berücksichtigung der Forschungsergebnisse der internationalen Fachliteratur wären die Zahlen vollkommen anders und wissenschaftlich deutlich besser. Doch warum unterschätzt das RKI die Reproduktionsrate, überschätzt aber massiv die Letalität?

Als Bundesbehörde ist das RKI mit dem Auftrag versehen, Krankheiten zu beobachten, über sie zu berichten, die zum Schutz der Bevölkerung erforderlichen Maßnahmen zu empfehlen und wissenschaftlich zu begründen. In der sogenannten Corona-Krise hat das RKI schwere wissenschaftliche Fehler begangen, die den Anschein erwecken, als stünde bei dessen Arbeit nicht die Wissenschaftlichkeit im Vordergrund.