© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/20 / 24. April 2020

Blick in die Medien
Fertig hat fertig
Tobias Dahlbrügge

Kippt die Siegessäule? Berlins Stadtmagazin für die homo- und transsexuelle Szene richtet jedenfalls einen dramatischen Spendenappell an sein Publikum.

Mitte der achtziger Jahre, als in Homosexuellenkreisen die Angst vor Aids umging, bot das Magazin wichtige Informationen, aber auch Terminhinweise und Kontakte. Das Heft besaß ursprünglich eher einen Fanzine-Charakter. Anfang der Neunziger wurde es vom überregionalen Magazin magnus geschluckt und nahm an Umfang und Professionalität zu. Nach der Pleite des Verlages erschien die Siegessäule wieder als eigenständiger Titel und wird seitdem anzeigenfinanziert und kostenlos verteilt.

Geschäftsführerin ist die 51jährige Gudrun Fertig, die den „Special Media SDL Verlag“ für Druck- und Onlinemedien für das Homosexuellenmilieu leitet. Sie machte das Magazin als politisches Sprachrohr kampagnenstark und etabliert. Das Heft sammelt immer wieder Gelder für diverse „NGOs“ und initiiert auch Proteste gegen die AfD.

Der Hilferuf an die eigene Klientel zeigt einen möglichen Weg aus der Corona-Falle.

Nun ist das Projekt offenbar in wirtschaftlicher Not. Durch die Corona-Krise habe der Verlag keine Einnahmen mehr, da die über 600 Auslagestellen geschlossen seien, erklärt Fertig in einem Bittsteller-Video auf einer eigens eingerichteten Spenden-Webseite. Der Verlag benötige sofort 150.000  Euro, sonst könne es nicht weitergehen.

Daß sich Verlag und Redaktion an ihre Klientel wenden, ist legitim und zeigt einen Weg, den vielleicht bald andere Blätter auch gehen müssen. Ob die Kampagne Erfolg hat, ist fraglich. Verschiedene Regionalausgaben der linken taz, die mit ähnlichen Appellen gerettet werden sollten, sind in der Vergangenheit damit gescheitert.

Warum durch das drohende Aus zudem ein „fester Bestandteil des Berliner Lebensgefühls“ verlorengehen sollte, ist zumindest für alle nicht homosexuellen Berliner kaum einsehbar.