© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/20 / 24. April 2020

Hans Aspergers Verstrickung in die NS-Kindereuthanasie
„Bildungsunfähige“ aussortiert
(ob)

Nicht erst die Umweltaktivistin Greta Thunberg, die an einer nach ihm benannten Krankheit leidet, hat den Wiener Kinderarzt und Heilpädagogen Hans Asperger (1906–1980) weltberühmt gemacht. Denn der 1944 habilitierte Mediziner, der seit 1935 die heilpädagogische Abteilung der Wiener Universitäts-Kinderklinik leitete, genoß schon zu Lebzeiten hohes internationales Ansehen als Pionier der Autismus-Forschung. Betrachtet aus dem Blickwinkel des Wiener Medizinhistorikers Herwig Czech, leuchtet Aspergers Licht nun jedoch etwas weniger hell (Gehirn & Geist, 4/2020). Wobei für Czech dessen „katholisch-deutschnationale Prägungen“ und NS-Sympathien des Nicht-Parteigenossen weniger ins Gewicht fallen. Gravierend sei hingegen, daß die Akten eine Verstrickung in die „Euthanasieverbrechen“ des NS-Regimes belegen. Asperger müsse von der Tötungspraxis in der Wiener Jugendfürsorgeeinrichtung „Am Spiegelgrund“ gewußt haben, überwies aber trotzdem 1941 ein dreijähriges Mädchen dorthin, das umgehend ermordet worden sei. Ebenso sei Asperger als Mitglied einer Gutachterkommission dafür mitverantwortlich gewesen, daß 1942 aus der Kinderanstalt Gugging nicht mehr „bildungsfähige“ Kinder aussortiert und in die oberösterreichische Tötungsanstalt Hartheim deportiert wurden. 


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