© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/20 / 24. April 2020

Frisch gepresst

Mauergesellschaft. Mit den beiden Staatsgründungen unter alliierter Kuratel in Bonn und Ost-Berlin trennten sich 1949 die Wege der West- und der Mitteldeutschen für vierzig Jahre. Trotzdem blieben „kapitalistische“ und „sozialistische“ Gesellschaft durch die innerdeutsche Grenze auf vielfältige Weise „zugleich auseinander und zusammen“. Diese „Dynamiken der Teilung“ blieben intakt, nachdem 1961 der Mauerbau die Grenze undurchlässiger machte. Die deutsche Geschichte lasse sich daher als Sozialgeschichte einer „Mauergesellschaft“ erzählen. Diese These verficht die opulente Darstellung des Osnabrücker Zeithistorikers Frank Wolff, um die geschichtspolitisch ins Kollektivbewußtsein vor allem der älteren Generation fest eingegrabene Erzählung vom „geteilten Land“ zu revidieren. Entstanden ist eine selten öde Faktenhuberei, die sich von herkömmlichen Arbeiten durch Wolffs anachronistisches Bemühen unterscheidet, unter dem ahistorischen Rubrum „grenzüberschreitende Mobilitätsprozesse“ die „nationalstaatliche Rahmung“ zu sprengen, um die BRD-DDR-Beziehungsgeschichte als Normalität von „Migrationsgeschichte“ zu verkaufen. In deren Kontinuität sich die „Willkommenskultur“ der einstigen FDJ-Funktionärin Angela Merkel dann nahtlos einfügt. (ob)

Frank Wolff: Die Mauergesellschaft. Kalter Krieg, Menschenrechte und die deutsch-deutsche Migration 1961–1989, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, gebunden 1.026 Seiten, 36 Euro





Helmut Kohl. Alexander Gauland nimmt gern große Staatsmänner in den Blick – Friedrich den Großen, Bismarck, Disraeli oder Stresemann. Als er 1994 seinen Kanzler und damaligen Parteifreund Helmut Kohl porträtierte, mußte er ernüchtert feststellen, daß dessen Persönlichkeit „nicht fasziniert“. In keinem Wesenszug stelle er irgend etwas Signifikantes dar. Noch lange vor Bekanntwerden der CDU-Spendenaffäre, die Kohls Nimbus stark beschädigte, faszinierte Gauland immerhin der „Mangel an gerechter Beurteilung“, die dem „Kanzler der Einheit“ von 1990 zugemessen wurde. Die aktuelle Neuauflage des Werkes besticht durch die scharfe Analyse, mit der Gauland in der von Kohl verkörperten „kleinbürgerlichen Durchschnittlichkeit“, der alles „Weltmännische“ abgeht, zugleich eine gewisse Staatsräson der Bundesrepublik zu erkennen glaubt. (bä)

Alexander Gauland: Helmut Kohl. Ein Prinzip. Manuscriptum Verlag, Lüdinghausen 2020, broschiert, 176 Seiten, 14 Euro