© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/20 / 01. Mai 2020

Lesereinspruch

Keine Theorie vermittelt

Zu: „Großväterchen gerät langsam in Vergessenheit“ von Jürgen Schmidt (JF 17/20)

Der 150. Geburtstag des russischen Revolutionsführes Wladimir Il-jitsch Lenin ist sicherlich Anlaß für einen kritischen Artikel. Allerdings ist es im aktuellen Fall völlig mißlungen. Mit Ausnahme eines kurzen Hinweises auf die Pariser Kommune (1871) ist kein Wort über seine politischen Theorien und deren Wirkungen zu finden. Ich gehe davon aus, daß der interessierte Zeitgenosse, der verstehen will, welche Brüche im 20. Jahrhundert geschehen sind und welche Rolle der leninistische Kommunismus dabei spielte, wenig damit anfangen kann, was auf den Visitenkarten Lenins stand und ob seine Frau Krupskaja kochen konnte und an welchen Krankheiten sie litt. Besser wäre es gewesen, die Situation im zaristischen Rußland vor 1917 darzustellen, die (alle) revolutionären und reformistischen Kräfte ändern wollten, und zu erklären warum die Bolschewiki, anfangs eine Minderheit, am Ende siegten. Die Theorien Lenins spielten dabei eine entscheidende Rolle, und sie sind entscheidend für das Verständnis, warum Rußland für mehr als 70 Jahre diesen Weg gegangen ist.

Peter Backfisch, Pfungstadt