© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/20 / 01. Mai 2020

Mathieu Bock-Côté. Der Kanadier sorgt mit seinem Buch in Frankreich für Aufsehen.
Liebling der Rechten
Friedrich-Thorsten Müller

Man muß wohl die Faszination der Franzosen für ihre 1763 an die Engländer verlorene Kolonie Québec kennen, um die Rolle von Mathieu Bock-Côté für den französischen Konservatismus zu verstehen. Den frankokanadischen Soziologen, der lieber heute als morgen ein unabhängiger Québecer wäre, hat sein jüngstes Buch „L’empire du politiquement correct“ (Das Reich der Politischen Korrektheit) zum Star der französischen Rechtsintellektuellen gemacht.

Der 40jährige hat sich damit zum Protagonisten der Zerbrechlichkeit nationaler Identität aufgeschwungen. Denn aus französischer Sicht tritt diese nirgendwo so zutage wie in Québec, dem deshalb schon Charles de Gaulle die Unabhängigkeit wünschte. Der kanadische Bundesstaat stellt mit sieben Millionen Französischsprachigen eine schrumpfende Insel unter fast 370 Millionen meist englischsprachigen Nordamerikanern dar. Montréal, mit seiner schwindenden frankophonen Mehrheit, ist dabei die Frontlinie des Kampfes um kulturelle und sprachliche Selbstbehauptung. Ein Ringen, an dem sich der im Norden der Stadt als Sohn eines Geschichtsprofessors aufgewachsene Bock-Côté schon als 12jähriger Unterstützer der Separatisten des „Parti Québécois“ beteiligte. Drei Jahre später prägte ihn das knappe Scheitern des zweiten Québecer Unabhängigkeitsreferendums. Nach seinem Aufstieg in den Beraterstab des Parteichefs folgte die Entfremdung. Denn der Parti Québécois schlug den Weg eines permissiven, nicht-kulturell-identitären, rein auf die französische Sprache fixierten Separatismus ein, den Bock-Côté für nicht tragfähig hielt.

Seine Mission in Kanada, wie in Frankreich, ist die Wiedergewinnung der Initiativkraft des Konservativen. Gescheiterten bürgerlichen Politikern wie dem früheren Chef der französischen Republikaner Laurent Wauquiez wirft er vor, im von der Linken erklärten Kulturkampf viel zu zaudernd zu sein. Man ginge der Linken auf den Leim, sich darauf einzulassen, nicht über Themen zu diskutieren, sondern über die Frage, wer im Lande diskurswürdig sei. Zudem erscheine die Rechte häufig wie „eine etwas langsamere Linke“, weil sie sich letztlich jedes linke Projekt als unvermeidlichen „gesellschaftlichen Fortschritt“ unterjubeln lasse, hinter den man nicht mehr zurück kommt. Dabei bräuchte es einen „Rollback“, nicht nur bei den Fragen nach der Natur des Menschen, nach dem „Sagbaren“, nach der Identität, sondern auch in Sachen Multikulturalismus und Globalisierung.

Mathieu Bock-Côté glaubt, die Rechte in Frankreich könne wieder siegen, wenn es ihr gelänge, konservatives Bürgertum und Arbeiterklasse unter einer antiglobalistischen Agenda zu vereinen. Dafür brauche es gleichwohl einen „rechten Macron“, der mit einem überparteilichen politischen Projekt die gegenseitige Blockade von Republikanern und Le Pens Rassemblement National aufheben könnte.