© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/20 / 01. Mai 2020

Jets geht’s lohoos, Jets geht’s lohoooos
Rüstung: Für den veralteten Tornado muß ein Nachfolger her / Berlin setzt auf Kompromißlösung
Peter Möller

Deutschland war geteilt, Nato und Warschauer Pakt lieferten sich ein mörderisches Wettrüsten und der Bundeskanzler hieß Helmut Schmidt (SPD): Als Luftwaffe und Marine 1981 die ersten von insgesamt 375 Exemplaren des Mehrzweckkampfflugzeugs Tornado erhielten, war die politische und militärische Welt noch eine andere. Dennoch hat der gemeinsam von der Bundesrepublik, Großbritannien und Italien entwickelte Jet bislang alle Zeitenwenden überstanden und spielt in der Luftwaffe noch immer eine wichtige Rolle. 

Denn der Tornado garantiert die sogenannte nukleare Teilhabe der Bundeswehr: Im Kriegsfall würden die deutschen Flugzeuge mit amerikanischen Atomwaffen ausgerüstet. Doch nun läuft die Zeit für die noch verbliebenen und am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angekommenen 85 Tornados ab. Großbritannien hat den Jagdbomber Ende März endgültig ausgemustert. Weil dadurch die Ersatzteilbeschaffung schwieriger werde, gerate der Tornado spätestens im Jahr 2030 deswegen „in eine Phase geraten, wo man ihn wirtschaftlich nicht mehr nutzen kann“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums vergangene Woche. Damit hat die seit Jahren vor allem in Fachkreisen geführte Diskussion über eine Nachfolge nun endgültig das politische Berlin erreicht

Nach Plänen aus dem Ministerium, die in der vergangenen Woche bekanntgeworden sind, sollen die Maschinen ab 2025 durch bis zu 90 weitere Eurofighter sowie 45 Kampfflugzeuge vom Typ F-18 des amerikanischen Herstellers Boeing ersetzt werden. Die Jets aus amerikanischer Produktion sollen sich dabei auf 30 Exemplare der modernsten Version der F-18 (F/A-18 F Super Hornet Block III), vor allem für die nukleare Teilhabe, sowie 15 Kampfjets E/A-18 Growler aufteilen, die für die elektronische Kampfführung ausgerüstet sind und die bislang dafür eingesetzten, entsprechend ausgerüsteten Tornado-Maschinen ersetzen sollen.

Die jetzt bekanntgewordene Lösung geht noch auf die Amtsvorgängerin von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, Ursula von der Leyen (beide CDU), zurück, die Anfang vergangenen Jahres die Prüfung des Eurofighters und der F-18 als Nachfolgemodelle für den Tornado beauftragt hatte. Zuvor hatte sich von der Leyen dagegen ausgesprochen, das hochmoderne Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug F-35 für die Luftwaffe zu beschaffen.

Amerikanisches Modell soll  als Brückenlösung dienen

Die wie der Tornado bereits seit Anfang der achtziger Jahre produzierte F-18, die allerdings stetig weiterentwickelt wurde, ist bei dem nun geschnürten „Nachfolgepaket“ für den Tornado nur eine zeitlich befristete Übergangsrolle zugedacht. Vor allem als Zugeständnis an Frankreich sollen die amerikanischen Maschinen als Brückenlösung nur so lange im Einsatz sein, bis das gemeinsam von Deutschland, Frankreich und Spanien geplante europäische Future Combat Air System (FCAS) zur Verfügung steht. Hier liegen unter anderem auch die Gründe für die Entscheidung, nicht die F-35 zu beschaffen, obwohl diese Maschine innerhalb der Luftwaffe zahlreiche Fürsprecher hatte, wie etwa den ehemaligen Inspekteur der Teilstreitkraft, Karl Müllner.

Die sich jetzt anbahnende Entscheidung über die Tornado-Nachfolge könnte indes noch zu einigen Auseinandersetzungen innerhalb der Großen Koalition führen. Vor allem SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, der nicht als Freund des Konzepts der nuklearen Teilhabe der Bundeswehr gilt, stemmt sich gegen die Beschaffung der F-18. Die Sozialdemokraten fühlen sich zudem offenbar nicht ausreichend in das Beschaffungsvorhaben eingebunden. „Wir sind uns einig, daß es einen Nachfolger geben muß, doch klar ist, daß wir die Lösung erst koalitionsintern beraten sollten, bevor wir an die Öffentlichkeit gehen“, sagte  der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Fritz Felgentreu.

Kramp-Karrenbauer machte unterdessen deutlich, daß das jetzt eingeleitete Verfahren noch längst keine Beschaffungsentscheidung ist. Eine Entscheidung über die jetzt bekanntgewordenen Pläne stehe im Parlament erst Ende 2022 oder Anfang 2023, also nach der nächsten Bundestagswahl an. Kramp-Karrenbauer versuchte denn auch mit Blick auf den verschnupften Koalitionspartner den Eindruck zu vermeiden, daß bereits Nägel mit Köpfen gemacht worden sind. Sie will vielmehr die mögliche Beschaffung von amerikanischen Flugzeugen als Signal an die Nato verstanden wissen, daß Deutschland an der nuklearen Teilhabe festhalte. 

„Ich habe innerhalb der Bundesregierung bislang keine andere Festlegung gehört. Es gibt auch keine Passage im Koalitionsvertrag, die das meines Wissens in Frage stellt“, sagte sie der Süddeutschen Zeitung vor dem Hintergrund etwa der Haltung von Mützenich. Es gebe noch ausreichend Zeit für politische Debatten über die Tornado-Nachfolge.

Vielleicht wird es sogar mehr Zeit geben, als den Beteiligten lieb ist. Denn die für die nukleare Teilhabe vorgesehene F-18-Version ist bislang noch überhaupt nicht von den amerikanischen Behörden für den Einsatz von Atomwaffen zertifiziert. Da eine frühere Variante der F-18 für den Atomwaffeneinsatz freigegeben war, geht das Verteidigungsministerium allerdings davon aus, daß der Zertifizierungsprozeß nicht bei Null beginnt und damit schneller möglich ist als bei einem anderen Flugzeug. 

Doch nicht nur die leidgeprüften Beschaffungsexperten im Berliner Bendlerblock wissen, daß dieses Verfahren dennoch viele (zeitliche) Fallstricke bereithalten könnte.