© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/20 / 01. Mai 2020

Hemmungsloses Gelddrucken für den Staat
Britischer Corona-Trick
Thorsten Polleit

Zentralbanken sind nicht geschaffen worden, um dem Wohle der Menschen zu dienen, sondern um den unersättlichen Geldhunger der Staaten zu finanzieren. Das mag in normalen Zeiten nicht ins Auge springen, doch diese Wahrheit tritt spätestens in Ausnahmesituationen wie der Corona-Krise ungeschminkt zutage. In Großbritannien stellt die Bank von England dem Schatzamt nun eine direkte Kreditlinie zur Verfügung („Ways and Means Facility“), mit der „vorübergehend“ bei Bedarf neues Geld in die Staatskasse gespült wird.

Üblicherweise verkauft der britische Staat seine Schuldpapiere an ausgewählte Banken („Inter Dealer Brokers“), die sie dann, wenn sie einen Marktpreis gefunden haben, weiterverkaufen und bei der Zentralbank gegen neues Geld eintauschen. Im Grunde ist das eine „Feigenblattstrategie“, die der Öffentlichkeit vorgaukeln soll, der Staat würde „marktübliche“ Zinsen bezahlen – und die übrigens für die teilnehmenden Banken gewinnträchtig ist. Denn längst bestimmt die Zentralbank die Marktrenditen der Staatsanleihen. Nicht nur in Großbritannien, sondern auch weltweit.

Die Zentralbanken diktieren den Zins, indem sie Staatsanleihen kaufen und so deren Kurse und Renditen bestimmen. Unter diesen Umständen können Staaten in der Tat auch gleich Direktkredite von der Zentralbank beziehen – zumal dann auch die an die Banken zu zahlenden Gebühren entfallen. Das eigentlich Schlimme an der Sache aber ist: Vor aller Augen wird der Weg in die ungehemmte Finanzierung der Staatsschulden durch die elektronische Notenpresse beschritten; nicht nur in Großbritannien, sondern global. Auch die Fed, die EZB oder die Bank of Japan kaufen Staatsanleihen und geben dafür neue Dollar, Euro und Yen aus. Es ist Geldpolitik wie in Kriegszeiten: Immer mehr Geld wird in Umlauf gegeben, aber das Güterangebot steigt nicht oder geht zurück – das Rezept für Inflation. Und genau das ist zu befürchten, vor allem im Euroraum. Denn hier wurde auch noch der Stabilitätspakt aufgehoben. Jeder Staat kann jetzt praktisch so viel Schulden machen, wie er will.

Die Schulden werden von der EZB gekauft und mit neuen Euro bezahlt. Der Euroraum droht nicht nur zur Haftungsgemeinschaft zu verkommen, sondern auch noch zur Inflationsgemeinschaft. Man kann nicht mehr ernsthaft darauf vertrauen, die Euro-Probleme ließen sich mit politischen Mitteln doch noch irgendwie in den Griff bekommen. Sie erreichen nun vielmehr eine weitere Eskalationsstufe: Die kaltschnäuzige Entwertung des Euro hat begonnen. Und der Schritt zum britischen „Corona-Trick“ ist nicht mehr weit. Zur Erinnerung, wohin das führt: Vor 50 Jahren gab es für ein britisches Pfund 10,35 Schweizer Franken, heute sind es nur noch 1,20 Franken.






Prof. Dr. Thorsten Polleit ist Volkswirtschaftler und Präsident des Mises-Instituts.