© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/20 / 01. Mai 2020

Die Kultur der Offenheit und ihre neoliberalen Feinde
Marktradikale Konterrevolution
(wm)

In den 1950er Jahren, als er die Schule besuchte, hätten seine Lehrer „den Zusammenbruch des Nazireichs ohne  erkennbaren Schaden an ihrer Gesinnung überstanden“, erinnert sich Johano Strasser, Jahrgang 1939 und einstiger jungsozialistischer „Vordenker“ (Frankfurter Hefte/Neue Gesellschaft, 2/2020). Es habe daher „beharrlicher politischer und gesellschaftlicher Reformarbeit“ bedurft, bevor in Westdeutschland eine „Kultur der Offenheit“ entstanden sei. Dieser „Sieg der Demokratie“ schien nach dem Kollaps des totalitären Ostblocks in den Triumph der „westlichen Werteordnung und das Ende der Geschichte“ (Francis Fukuyama) zu münden. Davon könne heute keine Rede mehr sein, seit mit Trump, Putin, Orbán, Salvini ein Politikertypus wieder ins Rampenlicht trete, den man im Museum wähnte, und in Deutschland „rechtsradikales Gedankengut wieder gesellschaftsfähig“ werde. Nachdem Strasser auch pflichtschuldigst über den „wieder präsenten Antisemitismus“ geklagt hat, ohne seine muslimischen Urheber zu nennen, steuert der ehemalige Präsident des PEN-Zentrums Deutschland aber auf die aus seiner Sicht ebenso gefährlichen Feinde der „offenen Gesellschaft“ zu. Denn das liberale Europa ziehe sich seit Jahren vor der „Konterrevolution“ (Jan Zielonka) des marktradikalen Neoliberalismus zurück, der einen erheblichen Anteil an der Zerstörung des komplizierten und höchst zerbrechlichen Gebildes der Demokratie habe. Als „naheliegenden Ausweg“ weist Johano Strasser ausgerechnet auf die Brüsseler EU-Globalisten, die die Erosion der sozialen Gleichheitsbasis der Demokratie per Gesetzgebung stoppen sollten. 


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