© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/20 / 01. Mai 2020

Die Jagd als Medienstar
Neue Formate in Fernsehen und Internet erweitern das Image des Waidwerks
Bernd Rademacher

Opas in Lodenmänteln, die mit uralten Drilling-Gewehren die Botanik unsicher machen und dabei Weinbrand aus silbernen Flachmännern mit eingravierten Hirschbrunft-Szenen trinken – das war mal. Die Jagd hat sich stark gewandelt und damit auch ihr Auftritt in den Medien. Der Zustrom zur Jägerschaft ist immens, gerade auch von Frauen (JF 27/17) und jungen Leuten. Und die bringen ihre altersgemäße Internetaffinität mit ins Waidwerk. Dementsprechend hat sich auch die Außendarstellung der Jägerei gewandelt: Auf Youtube, Facebook, Instagram & Co., aber auch in Serien und Dokumentationen kommt die Jagd hip, cool und mit souveräner Selbstverständlichkeit daher.

Ein Pionier des Trends ist Jagdlehrer Thiemo Gerhardt aus Niedersachsen, der mit unkonventionellen Lehrvideos auf Youtube Jagdscheinanwärter und Jungjäger anspricht. Auch der Deutsche Jagdverband, die Deutsche Jagdzeitung und Wild und Hund betreiben eigene Youtube-Kanäle. Die Reilmann-Brüder Gerold und Paul aus Mecklenburg-Vorpommern sind schon richtige Internetstars. Die Videos der Anfang Zwanzigjährigen „Hunter Brothers“ erreichen auf Youtube sechsstellige Zugriffszahlen. Das Duo aus der Uckermark wird von zahlreichen Firmenpartnern gesponsert, wie dem Gummistiefel-Hersteller Aigle oder dem österreichischem Waffenproduzenten Steyr.

Jägerinnen werden zu Influencern

Auch die wachsende Damenwelt im Revier teilt sich öffentlich mit: Interessierte Nutzer folgen zum Beispiel den Jagd-Influencerinnen und -Bloggerinnen „Miss Hunt“, „Janas Jagdblog“ oder „Josis Jagdblog“. Allesamt junge, gebildete und attraktive Frauen, die der Jagd ein neues, frisches Gesicht geben und die tradierten Vorurteile linker Stammtische spielend weglächeln. Diese multimediale Charmeoffensive läßt militante, fanatische Jagdgegner, die Hochsitze anzünden, wie verknöcherte Spießer erscheinen und verändert die Wahrnehmung des „ältesten Handwerks der Welt“ in der Öffentlichkeit. Selbst die Bild titelte bereits: „Jagen ist das neue Yoga – nur mit Waffen!“ Auf Instagram zeigen Jäger unter Hashtags wie #JungeJäger, #Waldmädel oder #Huntinggirl Bilder von Ansitzen, Reviergängen, ihren Hunden und Wildrezepten.

Auch kommerzielle Sender und Streamingdienste haben die Jagd als Trendthema entdeckt. Auf Netflix besucht der US-amerikanische Jäger, Koch und Umweltaktivist Steven Rinella die einsamsten Gegenden der Welt, um dort mit Einheimischen oder Jagdführern vor der Kamera Wild zu erlegen, sogleich zuzubereiten und gemeinsam zu verspeisen. Seine Serie „Meat Eater“ ist eine Mischung aus Jagddokumentation, Naturfilm und Kochshow und entwickelt damit das Abenteuergenre weiter.

Auf dem TV-Sender DMAX startete Ende vergangenen Jahres die Doku-Reihe „Jägerleben“, in deren sechs Episoden das Drehteam passionierte deutsche Jäger im Revieralltag begleitet. Der Produzent, der selbst Jäger ist, will ein möglichst breites Spektrum des Waidwerks darstellen und vor allem neutral, ohne ideologische Tendenz berichten. Begleitet wird das Format von einem interaktiven Online-Quiz und einem Memory-Spiel. Besprechungen neuer Medienhighlights, aber in erster Linie „Interviews zu jagdlichen und wildbiologischen Themen mit herausragenden Persönlichkeiten“ bietet der Podcast „Jagdcast“.

Moderne Netzseiten wie jagderleben.de ergänzen längst die traditionellen Jagdzeitschriften und ihre Online-Auftritte. Die Landesjagdverbände produzieren hochprofessionelle Imagefilme und überraschten sogar mit einer originellen Werbekampagne in Tageszeitungen, die wie eine Stellenanzeige gestaltet war: „Sie bringen mit: Die Bereitschaft sehr (sehr, sehr) früh aufzustehen. Wir bieten: Unvergeßliche Natureindrücke.“

Mit den Umwälzungen vom Adelsprivileg und Reiche-Leute-Hobby zur Breitenpassion hat sich auch das Internetshopping gewandelt. Preisbewußte Waidfrauen und -männer kaufen ihre Waffen schon länger bei „eGun“, dem Onlineportal für Jagd- und Sportschützen. Die meisten „Grünröcke“ suchen das Naturerlebnis, wollen ihr Fleisch selbst erbeuten oder sehen sich als aktive Naturschützer. Diese Aspekte werden durch die neuen modernen Medienauftritte deutlich besser dargestellt.

 www.dmax.de

 www.netflix.com