© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/20 / 08. Mai 2020

OECD-Studie kritisiert hohe deutsche Steuern und Abgaben
Reformiert das System
Kay Gottschalk

Seit Jahrzehnten verspricht jede Bundesregierung, das Steuersystem zu überarbeiten und Normalverdiener zu entlasten. Doch heute wird bereits mit dem 1,9fachen Durchschnittsbruttogehalt der Spitzensteuersatz fällig. Im Jahre 1965 lag dieser Wert noch beim 15fachen und 1980 beim Fünffachen. Hinzu kommen die diversen Abgaben.

Daß viele Beschäftigte zu Recht finden, sie verdienten zu wenig, wird durch eine neue OECD-Studie „Taxing Wages“ bestätigt. Die Belastung eines alleinstehenden Durchschnittsverdieners betrug demnach 49,4 Prozent. Im OECD-Schnitt waren es nur 36 Prozent. Bei Familien waren es 34,3 Prozent und damit auch deutlich über dem OECD-Schnitt von 26,4 Prozent.

Und je komplizierter ein Steuersystem ist, desto ungerechter wird es für die, die sich keine teure Beratung leisten können. Selbst viele Finanzbeamte zweifeln an Praktikabilität und Umsetzbarkeit des Regelgestrüpps. In Deutschland gibt es 33.000 Steuervorschriften und mehr als 30 Steuerarten. Eine besondere Ungerechtigkeit ist die kalte Progression, denn der steilste Anstieg des Grenzsteuersatzes (also die Besteuerung des letzten verdienten Euros) findet gerade in den unteren und mittleren Einkommensklassen statt: Bei Gehaltserhöhungen bleibt netto kaum etwas übrig. Zahlten 2015 noch 3,5 Millionen Bürger den Spitzensteuersatz, so werden es bald fünf Millionen sein.

Bei 5.700 Euro bleiben von 100 Euro Gehaltserhöhung 58 Euro übrig, mit Soli und Sozialabgaben bleiben am Ende noch 35 Euro übrig. Hinzu kommt, daß der Arbeitgeber die andere Hälfte der Sozialabgaben zahlt. Das sind ebenfalls Gelder, die faktisch auch der Arbeitnehmer erarbeiten muß. Das zeigt, wie stark Arbeit in Deutschland belastest wird und wieviel Wertschöpfung vom Staat fast unmerklich abgeschöpft wird.

Die Corona-Krise müßte daher endlich für eine umfassende und nachhaltige Reform des Einkommensteuerrechts genutzt werden. Diverse Vorschläge von Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof könnten hier als Vorlage dienen, denn ohne eine echte Steuerreform ist Deutschland nicht mehr attraktiv für Arbeitnehmer und echte ausländische Fachkräfte.

Eine entlastende Steuerreform kann auch in zwei oder drei Schritten durchgeführt werden. So könnte am Ende des Reformprozesses ein Tarif mit drei Zonen stehen: eine Nullzone, die das steuerfreie Existenzminimum freistellt, eine Zone mit 25 Prozent und ein etwaiger Spitzensteuersatz von 42 Prozent ab einem Einkommen von 125.000 Euro. Leicht zu integrieren wäre hier zudem ein sogenanntes Bürgergeld, das als „negative Einkommensteuer“ in Not- und Ausnahmesituationen automatisch fließen würde.






Kay Gottschalk ist AfD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Finanzausschuß.