© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/20 / 08. Mai 2020

Drosten vs. Heinsberg-Studie
Rund um Kai Diekmanns Agentur „Storymachine“ ist ein Kampf um die Corona-Deutungshoheit entbrannt
Ronald Berthold

Wer in der Corona-Krise PR für eine unerwünschte wissenschaftliche Arbeit macht, kann leicht zum Kollateralschaden werden. So ergeht es Ex-Bild-Chefredakteur Kai Diekmann und seiner Social-Media-Agentur „Storymachine“. Die Heinsberg-Studie des Experten Hendrik Streeck (JF 16/20) stößt im stark verengten Corona-Diskussionskorridor auf heftige Kritik. Sie bedroht den Status von „Merkels Leibvirologen“ (Welt) Christian Drosten. Und die Ergebnisse bergen die Gefahr, die Lockdown-Maßnahmen der Bundeskanzlerin in Frage zu stellen. Inzwischen untersucht sogar der Deutsche PR-Rat die Social-Media-Arbeit Diekmanns. Hat der Vollprofi handwerkliche Fehler begangen?

Seit Streecks Pressekonferenz mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet am 9. April attackiert Drosten diesen, die Studie und die sie begleitende Öffentlichkeitsarbeit regelmäßig. Die Eifersucht auf eine erste aufsehenerregende Corona-Studie und die Sorge um sein Image als „weltweit führender Virologe“ (ZDF-Moderator Claus Kleber) dürfte dabei keine unwichtige Rolle spielen.

Der PR-Rat ermittelt

Drosten gilt den Leitmedien aufgrund seiner Nähe zur Kanzlerin als unantastbar. Sie bieten ihm gern Foren. Unerwähnt bleibt dabei seine Fehleinschätzung zur Schweinegrippe vor zehn Jahren, als er einen ähnlichen Alarmismus verbreitete wie heute. Damals kaufte die Merkel-Regierung auch aufgrund seiner Empfehlungen 60 Millionen Impfdosen, die später verbrannt wurden. Geschätzter Schaden: bis zu eine halbe Milliarde Euro.

Auch Wochen nach Streecks erster Pressekonferenz gibt Drosten keine Ruhe. Der Süddeutschen Zeitung sagte er: „Ich finde das alles total unglücklich, und ich finde es noch schlimmer, wenn ich dann den Bericht im Wirtschaftsmagazin Capital lese, daß diese PR-Firma Geld bei Industriepartnern eingesammelt hat, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.“ Starker Tobak: Drosten beschuldigt seinen Konkurrenten der von der Wirtschaft gekauften Propaganda. „Storymachine“ wirft er vor, „viel von dem ursprünglichen Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft“ zu zerstören.

Unterstützung bekommt er vom Vorsitzenden des PR-Rates, Lars Rademacher: „Wir untersuchen den Verdacht, ob Verstöße gegen das Transparenzgebot des Kommunikationskodexes vorliegen.“ Die Diekmann-Firma soll ihre Arbeit nicht rechtzeitig offengelegt haben. So fehle ein ordnungsgemäßes Impressum auf dem von „Storymachine“ angelegten Twitter-Profil „Heinsberg Protokoll“, das über die Studie berichtet. Rademacher beklagt, das sei „scheibchenweise erst im nachhinein veröffentlicht worden“. 

Welche Rolle spielt Rademacher? Fragwürdig für einen Schiedsrichter, der seinen „Entscheid“ über „Storymachine“ Mitte Mai verkünden will, ist sein Verhalten auf Twitter. Ausgerechnet Drostens SZ-Interview mit den Vorwürfen gegen Streeck und Diekmann jubelte er dort mit den Worten hoch: „Äußerst lohnenswert zu lesen.“ Da untersuchte er den Fall schon acht Tage lang.

Auch Diekmanns Verteidigung wirft Fragen auf. Anstatt sich selbst zu äußern, schickt er den Medienanwalt Christian Schertz vor. Dem PR-Report sagte dieser, „die Begleitung durch Storymachine wurde selbstverständlich im Impressum von Facebook mit Veröffentlichung des Heinsberg Protokolls offengelegt“. Zudem habe „meine Mandantschaft auch die Unterstützung durch Firmen transparent gemacht“. Schwach klingt Schert’ Ausrede, „Storymachine“ sei keine PR-Agentur. Damit unterliege sie nicht den „Selbstverpflichtungen des Kommunikationskodexes des Deutschen PR-Rates“.

Fakt ist, daß die Kommunikation der Studie durch „Storymachine“ bereits zwei Tage vor Streecks Pressekonferenz mit Laschet bekannt war. Und zeitgleich bestätigte Diekmanns Geschäftsführer, der frühere Stern-Onlinechef Philipp Jessen, dem Branchendienst „Meedia“ die für die Studie kostenfreie PR. Er sagte gar: „Für diese Kommunikations-Aufgabe haben wir uns für eine journalistische Herangehensweise entschieden. Dazu gehört auch eine klare redaktionelle Absenderschaft auf den entsprechenden Kanälen.“ 

Auf Werbung spezialisierte Agenturen begleiten die Öffentlichkeitsarbeit in allen Branchen. Auch die Charité, für die Drosten arbeitet, holte sich über Jahre die PR-Profis von „Scholz & Friends“ ins Haus. Ungewöhnlich ist auch nicht, daß die meisten Verbraucher davon nichts erfahren. Neu ist, daß dies skandalisiert wird. Es zeigt, mit welchen harten Bandagen um die Deutungshoheit in der Corona-Krise gekämpft wird.