© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/20 / 08. Mai 2020

Plattform für politische Propaganda
Immer mehr politisch linke Wächter haben aus Wikipedia eine einseitige Informationsquelle gemacht
Werner Olles

Die Internet-Enzyklopädie „Wikipedia“ ist für zahlreiche Nutzer, die sich für historische Persönlichkeiten und Ereignisse oder für Fragen zu Literatur, Kunst und Film etc. interessieren, unverzichtbar geworden. Doch ist die Online-Plattform bereits seit einigen Jahren ins Gerede gekommen, weil sie sich durchaus nicht immer an die Grundsätze ihres Gründers Jimmy Wales hält, der das Online-Lexikon vor rund zwanzig Jahren ins Leben rief und bis heute treuherzig beteuert, man sei „nahezu immun gegen Fake News“.

Das ist in der Tat eine reichlich kühne Behauptung, die zudem von der Wahrheit ziemlich weit entfernt ist, wie der Publizist und Autor Andreas Mäckler als Herausgeber des „Schwarzbuch Wikipedia“ gemeinsam mit einer Reihe weiterer Autoren, Wissenschaftler, Politiker und Kulturschaffender nach akribischen Recherchen und Analysen herausgefunden hat. So finden sich neben wissenschaftlich einwandfreien und objektiv-sachlichen Beiträgen – vor allem aus den Naturwissenschaften, die den Wikipedia-Herren „mangels eigener Kenntnisse verschlossen sind“ (Helmut Roewer) – immer wieder Diffamierungen, gezielte Falschinformationen, Pöbeleien und Mobbing unliebsamer Autoren.

So beschreibt der Politikwissenschaftler, Kunst- und Architekturhistoriker und Buchautor Claus Wolfschlag in seinem Beitrag „Eine Enzyklopädie mit politischer Schlagzeile“, daß beispielsweise ein „antifaschistisch“ orientierter und linksstehender Autor wie Andreas Speit neutral als „deutscher Journalist und Publizist“ signifiziert wird, der konservative Journalist Felix Krautkrämer, der Speit und das linke „Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung“ (DISS) kritisch bewertete, hingegen mit Rechtsextremismus-Vorwürfen konfrontiert wurde.

Nur bedingt eine seriöse Informationsquelle

Tendenziell sei feststellbar, daß rechtsgerichtete Personen und Institutionen in der Online-Enzyklopädie als solche benannt und kategorisiert würden, während dies bei linksgerichteten Personen und Institutionen häufig nicht der Fall sei. Dies betreffe ganz besonders solche Publizisten, die dem „antifaschistischen Milieu“ zugehörten, also im starken Maß in den „Kampf gegen Rechts“ verstrickt seien. Wolfschlags Fazit: „Wikipedia ist nur bedingt als seriöse Informationsquelle anzusehen. Sie hat, auch wenn das die vielen aufrichtigen, kompetenten und gutmeinenden Mitarbeiter nicht gerne hören, nichts mit einer klassischen Enzyklopädie gemein, die üblicherweise von namentlich verantwortlichen Wissenschaftlern zusammengetragen wird. Sicherlich eignen sich die Artikel, um sich schnell über Basisinhalte zu informieren. Ansonsten sind sie aber stets kritisch zu betrachten, da sie zwangsläufig dem Risiko politischer Manipulation ausgesetzt sind“.

Noch einen Schritt weiter geht der ehemalige thüringische Verfassungsschutzpräsident und Schriftsteller Helmut Roewer, der bereits im ersten Absatz seines Beitrags „Das trojanische Pferd“ die These aufstellt: „Durch nichts ist dem seriösen Wissen seit dem Ende des 20. Jahrhunderts so geschadet worden wie durch Wikipedia.“ Eine unbekannte Vielzahl von Torwächtern sorge dafür, daß unerwünschte Einträge ins Wikipedia-Lexikon unterblieben, und gegen deren Entscheidung gäbe es keinen wirksamen Einspruch.

Roewer zitiert den Fall des Schweizer Historikers Daniele Ganser, der sich mit der US-gesteuerten verdeckten Kriegsführung in Europa beschäftigt und anzweifelt, daß die offiziöse Darstellung der Ereignisse des Anschlags auf das World-Trade-Center mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Dies brachte ihm das Etikett des Verschwörungstheoretikers ein, wobei es sich bei dem Hauptakteur der anonymen Denunziation in der Internet-Plattform um einen vormaligen Theologiestudenten und „Antifa“-Aktivisten handele, der in diesem Fall bei Wikipedia das Sagen habe.

Roewer findet es symptomatisch, daß eine „linksextremistische Mafia“ vom Wikipedia-Monopol für das Wissen der Welt Besitz ergriffen hat. Diese Leute erfüllten ungehindert einen Kampfauftrag hinter der Maske der Anonymität: „Sie denunzieren und verunglimpfen, was das Zeug hält. Wenn die Demaskierung droht, werden sie wie alle Feiglinge weinerlich und schwätzen vom bedrohten Persönlichkeitsrecht. Ungezählte Geschädigte haben ein Recht zu erfahren, wer dieses anonyme Gesindel in Wirklichkeit ist“.

Der Genetiker und Historiker Volkmar Weiss sieht „Wikipedia als Tummelplatz des geistigen Lumpenproletariats“. Bis zu seiner endgültigen Sperrung 2009 war er ein engagierter Wikipedia-Autor, jedoch seitdem er sich in der Enzyklopädie mit den Begriffen „Intelligenz“ und „Vererbung der Intelligenz“ beschäftigte, worüber er zuvor eine Dissertation und Habilitations-Arbeit geschrieben hatte, begann ein „uferloser Ärger“. Es hagelte Verleumdungen und persönliche Unterstellungen. Sein Schlußsatz: „Wikipedia finanziert sich durch Spenden. Die Spender sollten sich im klaren darüber sein, wofür und wem sie spenden.“

Vom Etikett „neutraler Standpunkt“ weit entfernt

Der Buchautor und Publizist Hermann Ploppa widerspricht Autoren, die den „Hardcore-Wikipedianern“ Linksextremismus vorwerfen. Vielmehr handele es sich um „Nato-Trolle reinsten Wassers“, die sich je nach Bedarf rechter oder linker Camouflage bedienten. Der Wissenschaftsjournalist Arne Hoffmann beklagt als Sprecher der deutschen Männerrechtsbewegung die Verunglimpfung und Stigmatisierung von Männeraktivisten in der Wikipedia, während die Texte von Radikalfeministinnen als „seriöse Quellen“ vorgestellt würden, in Wahrheit jedoch mindestens nur als pseudowissenschaftlich zu klassifizieren seien. Wikipedia habe sich inzwischen Lichtjahre vom selbstverliehenen Etikett „neutraler Standpunkt“ entfernt: „Stattdessen ist sie eine Plattform dafür geworden, politische Propaganda zu betreiben und Feindbilder zu transportieren.“ 

Andreas Mäckler (Hrsg.): Schwarz-buch Wikipedia. Mobbing, Diffamierung und Falschinformation in der Online-Enzyklopädie und was jetzt dagegen getan werden muß. Verlag Zeitgeist, Höhr-Grenzhausen 2020, broschiert, 364 Seiten, 19,90 Euro