© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/20 / 08. Mai 2020

Deutsche Illusionen der Energiewende
Die Lausitz am Scheideweg – keine Braunkohle, keine Arbeit, aber eine BigBattery / Technik nicht ausgereift
Tobias Albert

Die Corona-Krise verbannte Greta, Luisa und ihre „Fridays for Future“-Jünger aus den Schlagzeilen und den medialen Wunschkanzler Robert Habeck unter 16 Prozent. Bei 2,7 Millionen Arbeitslosen, 10,1 Millionen in Kurzarbeit, weiteren Millionen Selbständigen und Freiberuflern in prekärer Lage sowie 156 Milliarden Euro Nachtragshaushalt und Hunderten von Milliarden Euro an Garantien und Konjunkturanreizen interessieren CO2-Emissionen nur noch gutbezahlte Lobbyisten, Klimaforscher und Politiker.

Dunkelflauten verlangen „flexible Verbraucher“

Angela Merkel bekannte sich deswegen auf dem „Petersberger Klimadialog“ unbeeindruckt zu dem Ziel, Europa bis 2050 zum „ersten klimaneutralen Kontinent“ zu machen. Bis dahin sei es zwar „ein langer Weg“, sie begrüße auch das Zwischenziel, in der EU bis 2030 die CO2-Emissionen „auf 50 bis 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren“, so die Bundeskanzlerin. Der Grünen-Bundestagsfraktion reicht das nicht. Sie verlangt nun von der Bundesregierung, sich einer Renaissance der Atomkraft „mit allen zur Verfügung stehenden guten Argumenten entgegenzustellen und mit aller Kraft den europäischen und weltweiten Atomausstieg voranzubringen“ (Drucksache 19/18679).

Dazu soll auch die am 1. Juli beginnende EU-Ratspräsidentschaft genutzt werden. „Wer Klimaschutz will, muß raus aus der Kohle und raus aus der Atomkraft“, finden Katrin Göring-Eckardt, Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl & Co. und sind damit auf Merkel-Linie. Daß hundert Prozent erneuerbare Energien in der EU in den Dunkelflauten „flexible Verbraucher“ erfordern, ist klar. Aber flexible und leistungsfähige Stromspeicher sind noch nicht erfunden. Größere Pumpspeicherwerke (JF 43/19) sind nur in einigen Gebirgsregionen denkbar, das Konzept „Grüner Wasserstoff“ ist teuer und längst nicht ausgereift (JF 12/20).

Selbst der deutsche Kohleausstieg bis 2038 ist ohne den Neubau von Gaskraftwerken und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen illusorisch, wie ein Positionspapier des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) im Kleingedruckten eingestehen mußte. Auch soziale Fragen stellen sich in strukturschwachen Regionen wie der Lausitz, die ohne die Braunkohle vor dem ökonomischen Nichts stehen.

Der dortige Energiegigant Leag nimmt daher den Strukturwandel in die eigene Hand und versucht mit dem Projekt „BigBattery Lausitz“ zwei Probleme gleichzeitig anzugehen: Dieser Energiespeicher soll die Leistungsschwankungen von Windkraft und Solaranlagen ausgleichen, den Strom grundlastfähig stabilisieren und zugleich Hochtechnologiearbeitsplätze schaffen.

Ein Projekt der Superlative, denn in der Lausitz soll der größte Energiespeicher Europas entstehen: Auf 7.000 Quadratmetern werden 13 Lithium-Ionen-Batteriecontainer (Li-Ion) als Energiespeicher gebaut, die bei einer Hochspannung von 110 Kilovolt arbeiten. Umrichter- und Transformatoranlagen wandeln diese Spannung auf die haushaltsüblichen 230 Volt um.

Solange die „fossilen“ Kraftwerke noch am Netz bleiben dürfen, wird die BigBattery ihren überschüssigen Strom einspeichern können und wird daher in unmittelbarer Nähe zum Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe gebaut. Sobald dieses 2038 endgültig stillgelegt wird, soll BigBattery die Schwankungen der erneuerbaren Energieträger abfedern, damit auch in einer windstillen Nacht es nicht wie in Südafrika zum gefürchteten Blackout kommt (JF 4/20).

Speicherkapazitäten bei weitem nicht ausreichend

Doch die Corona-Krise bremst auch die Energiepolitik aus. So kritisierte Leag-Vorstandschef Helmar Rendez in der Welt, daß die energiepolitischen Maßnahmen zum Kohleausstieg bisher nicht umgesetzt seien: „Weder beim öffentlich-rechtlichen Ausstiegsvertrag noch beim Anpassungsgeld für die Arbeitnehmer gibt es bislang irgend etwas schriftlich.“ Ende März hätte im Bundestag eine Sitzung zum Kohleausstieg und den Übergangsmaßnahmen stattfinden sollen, die aber wegen Corona abgesagt wurde. Doch schon 2022 sollen Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 12,5 Gigawatt stillgelegt werden.

Immerhin scheinen die Arbeiten an der BigBattery weiterhin im Zeitplan. Anfang April wurde die Inbetriebnahmephase gestartet. Im Mai soll nun der Erprobungsbetrieb starten, bevor im Sommer 2020 die kommerzielle Nutzung anläuft. Bei einem Investitionsvolumen von 25 Millionen Euro kann jede Verzögerung finanziell schmerzhaft werden, sofern man nicht wie die Politik mit dem Geld anderer Leute hantiert, sondern das eigene Kapital auf dem Spiel steht. Die Speicherkapazität der BigBattery Lausitz beträgt lediglich 53 Megawattstunden (MWh) – das benachbarte Kraftwerk Schwarze Pumpe speist hingegen jährlich zehn Millionen MWh ins Stromnetz ein.

Um das Kraftwerk zu ersetzen, müßte man die BigBattery also etwa 200.000 Mal im Jahr be- und entladen, denn die Speicherkapazität entspricht lediglich der Kraftwerksleistung von etwa zwei Minuten Betriebszeit. Ähnlich große Projekte sind in den USA, England, der Schweiz oder Südkorea schon in Betrieb. Die größte Li-Ion-Batterie mit 129 MWh steht bei der Hornsdale Wind Farm in Südaustralien. Die große 300-MWh-Anlage in Buzen (Fukuoka-Präfektur, Japan) ist ein neuentwickelter Natrium-Schwefel-Akkumulator (NaS-Batterie). Das Manatee Energy Storage Center (Li-Ion) in Florida soll 2021 ans Netz gehen – mit 900 MWh für maximal 135 Minuten Pufferzeit.

Das verdeutlicht, daß die derzeitige Batteriespeichertechnologie nicht in der Lage sein wird, Kohle, Gas und Atom vollständig zu ersetzen. Sie kann kurze Leistungsschwankungen der Solar- und Windkraftwerke abfedern, aber bei einer längeren Flaute, wenn weder Wind noch Sonne im Überfluß zur Verfügung stehen, können die Energiespeicher keine dauerhafte Leistung gewährleisten.

Es werden weiterhin klassische Kraftwerke notwendig sein, um den Blackout abzuwenden. Diese Energiespeicher können lediglich die Zeit überbrücken, bis konventionelle Kraftwerke hochgefahren sind. Sollte die Bundesregierung trotz aller Warnungen am gleichzeitigen Ausstieg aus Kohle- und Kernkraftwerken festhalten, wäre sie gut beraten, sich um gute Beziehungen zu unseren Nachbarländern zu bemühen, deren Stromproduktion uns durch den Winter bringen muß.

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