© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/20 / 15. Mai 2020

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Wer da sucht, der findet
Paul Rosen

Die Erinnerungen verblassen, das Gedenken gerät in den Hintergrund. Aber immer noch machen sich rund 10.000 Personen pro Jahr auf die Suche nach Angehörigen, deren Spur sich in den Wirren des Zweiten Weltkrieges verloren hat. 

Der Gefreite Josef K. war so ein Fall. Der Bäckersohn aus Schlesien versah gegen Kriegsende seinen Dienst als Melder zu Pferde in der Nähe von Danzig. Dort verliert sich die Spur. War er gefallen? Hatte er überlebt und war eventuell in ein russisches Lager verschleppt worden? Wie oft hatte die zum Kriegsende nach Westdeutschland geflüchtete Mutter mit Tränen in den Augen an den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) geschrieben – in der Hoffnung, eine Spur des vermißten Sohnes möge gefunden werden. Vergeblich. Das Schicksal von Josef K., den seine Schwestern als stets fröhlichen Jungen schilderten, ist bis heute ungeklärt.

Jahrzehnte nach der Mutter wandte sich ein Neffe des Gefreiten an den Suchdienst. Inzwischen waren russische Archive geöffnet worden. Mit weiteren Verwandten wollte der Neffe am Grab des Onkels einen Kranz niederlegen. Doch bis heute konnte das Schicksal des Gefreiten nicht geklärt werden.

Weitere Anfragen werden bald nicht mehr möglich sein. Die Arbeit des Suchdienstes soll gemäß einer 2017 geschlossenen Vereinbarung mit dem Bundesinnenministerium Ende 2023 eingestellt werden (JF 11/18). Dies ärgerte nun den CDU-Bundestagsabgeordneten Eckhard Pols. Der Vorsitzender der Arbeitsgruppe Vertriebene und Flüchtlinge in der Unionsfraktion sieht das Bedürfnis, etwas über Angehörige zu erfahren, als durchaus noch vorhanden an. Das sei ein „empfindlicher Punkt“, sagte Pols. Knappe Kassen beim Roten Kreuz sind kein Grund für die Einstellung: Die rund zehn Millionen Euro im Jahr kommen vom Bundesinnenministerium.

Die Initiative zur Beendigung der Arbeit des Suchdienstes sei nicht vom Roten Kreuz ausgegangen, widersprach DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt, früher selbst im Bundestag und dort Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Medienberichten, in denen genau das behauptet worden war. Man habe lediglich auf die baldige Einstellung des Suchdienstes hingewiesen. Deshalb habe man dazu aufgerufen, Anfragen möglichst bald zu stellen. Noch gut vertraut mit der Floskelsprache von Politikern freut sich Hasselfeldt jetzt „über Signale aus dem Bundestag und aus dem Ministerium, diese wichtige Arbeit des Suchdienstes auch nach 2023 fortzusetzen“ – und vergaß nicht, um „Unterstützung in den entsprechenden Haushaltsberatungen“ zu werben.

Mit einer Verlängerung der Suchdienst-Arbeit ist es vielleicht nicht getan. Mit Bundesarchiv, Volksbund und Suchdienst existieren drei Einrichtungen nebeneinander, die Angaben zu Millionen von Schicksalen verwalten. Diese Bestände könnten zusammengefaßt, und der Gefallenen und Vermißten könnte schon allein dadurch ein ehrendes Gedenken bewahrt werden. Und vielleicht wird doch noch eine Karteikarte über Josef K. gefunden.