© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/20 / 15. Mai 2020

Grüße aus Bern
Schwyzer Lockdown
Frank Liebermann

Ich weiß gar nicht mehr, die wievielte Woche der Corona-Apokalypse inzwischen hinter mir liegt. Mitte März hat mir mein Arbeitgeber erklärt, daß ich ab jetzt ins Homeoffice müsse. Für mich kein großes Problem, da ich das schon mindestens einmal in der Woche praktizierte.

In den ersten Tagen ging es mir wie Will Smith in dem Film „I Am Legend“: völlig allein auf der Welt. Da ich nicht mehr ins Fitneßstudio konnte, fing ich an, durch den Wald zu rennen. Auf dem Weg zu meiner Strecke passiere ich die Autobahn. Normalerweise bilden sich dort lange Kolonnen. Jetzt gibt es nur vereinzelte Fahrer, an Wochenenden manchmal gar keine. Anders im Wald. Ich bin nicht der einzige, der seinem Bewegungsmangel Abhilfe verschaffen möchte. Gefühlt sind dort zehnmal mehr Menschen unterwegs als sonst.

Die Rentner gehen alle munter aus dem Haus und erledigen ihre Angelegenheiten selbst.

Der Rosengarten, eine kleine Grünanlage nahe einem benachbarten Schloß, ist mein Lieblingspark. Normalerweise bevölkern den höchstens ein paar Rentner. Das änderte sich die Tage drastisch. Da die Gastronomie geschlossen hat, finden sich dort jede Menge neue Gäste ein. Diese kiffen, trinken engagiert und hören laut Hiphop. Nachdem es Beschwerden bei der Stadt gab, hat das Konsequenzen. Die Parkbänke wurden abmontiert, und die Polizei läuft verstärkt Streife. Pech für die Alten. Auch für sie gibt es keine Sitzplätze mehr.

Da bei uns im Haus viele Hochbetagte wohnen, hat ein Mitbewohner einen Zettel im Fahrstuhl ausgehängt. Er bietet an, Botengänge zu erledigen und Einkäufe zu übernehmen. Wer den Service nutzen oder helfen möchte, darf sich bei ihm melden. Ich bin leicht überfordert. Soll ich ihn bitten, da ich schon über 50 bin, meinen Müll zu entsorgen oder arbeite ich mit? Ich beschließe zu helfen. Nach ein paar Tagen meldet er sich bei mir. Von den Rentnern hatte sich niemand gemeldet. Warum, ist klar. Sie gehen alle munter aus dem Haus und erledigen ihre Angelegenheiten selbst. Als Risikogruppe empfindet sich keiner.

In den Nachrichten gibt es täglich die Corona-Nachrichten, so wie vermutlich überall auf der Welt. Die Nachrichten legen von Anfang an einen starken Fokus auf die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns. Maßnahmen werden immer auf ihre Konsequenzen geprüft. Die Gesellschaft wirkt entspannt. Wenigstens mußte ich keine Balkonkonzerte oder Klatschorgien ertragen.