© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/20 / 15. Mai 2020

Zeitschriftenkritik: Die neue Ordnung
Die Leiden der Zeit
Werner Olles

In einer ortlos gewordenen Welt und bindungslosen Gesellschaft stellt sich die Suche nach Zugehörigkeit dringender denn je. Der Soziologe Hans Braun beschreibt in seinem Beitrag „Wo gehören wir hin?“ in der aktuellen Ausgabe (Heft 2/April 2020) der Zeitschrift Die Neue Ordnung die Zugehörigkeit als Aufgabe, heute neue und „neue alte“ Formen auszuprägen. Speziell die Rolle des Internets und der sozialen Medien unterstütze eine nicht nur unter jüngeren Menschen verbreitete Neigung zur Selbstdarstellung und Selbstentblößung. Tatsächlich sei jedoch das Phänomen der Einsamkeit eines der größten Probleme unserer Gesellschaft und gehöre zum festen Repertoire der Kulturkritik. 

Der Historiker David Engels weist darauf hin, daß sich der gegenwärtige Niedergang des Abendlandes „zumindest seit den 1980er Jahren unter dem stürmischen Applaus eines Großteils der Massen wie der Eliten“ vollziehe. Betrachte man den Selbsthaß, mit dem zahlreiche einflußreiche Politiker nicht nur die Geschichte Deutschlands auf eine bloße Abfolge von Verbrechen reduzierten, sondern offen die Abschaffung des eigenen Volkes durch Aufgehen in einem multikulturellen „Massenmenschentum“ begrüßten, ja sogar bewußt einleiteten, könne man nur tiefe Verwunderung nicht nur angesichts der inneren Verwahrlosung jener Menschen empfinden, sondern auch angesichts des Versagens einer Gesellschaft, in ihren Bürgern „ein Mindestmaß an Verständnis und Liebe für die großartigen geistigen, künstlerischen und politischen Schöpfungen vergangener Generationen zu wecken“. Engels kritisiert „das zähe Festhalten an einem gewissen liberalen Republikanismus“ und den Glauben der meisten Konservativen, das Rad der Zeit ließe sich zurückdrehen, und es reiche die eine oder andere „Fehlentscheidung“ der vergangenen Jahrzehnte rückgängig zu machen, um die gelobte Zeit von Wirtschaftswunder und Verfassungspatriotismus der Nachkriegsjahrzehnte zurückzubringen. Diese Haltung sei zwar verständlich, doch verlängere sie nur die Leiden der Zeit und befördere den von ihr befürchteten Durchbruch der Konservativen Revolution. Hinter dieser stecke der Versuch, „die reale oder doch zumindest angenommene Grundstimmung einer idealisierten archaischen Vergangenheit mit den Mitteln modernster Technik neu erstehen zu lassen“, um unter Beschleunigung des Tempos in eine utopische, zyklisch an die Grundanfänge der jeweiligen Gesellschaft anschließende Zukunft gelenkt zu werden. Damit sei jedoch auch die Frage gestellt, wie ein historisch denkender, seiner eigenen Kultur verbundener Mensch seelisch wie politisch mit den anstehenden Umbrüchen umgehen könne.

Weitere lesenswerte Beiträge befassen sich unter anderem mit „Urchristlichem Sozialismus“ (Richard Reichel), „Freier Meinungsäußerung“ (Astrid Meyer-Schubert) und der „Islamischen Konsequenz der Kulturrevolution“(Hans-Peter Raddatz).

Kontakt: Verlag Franz Schmitt, Postfach 1831, 53708 Siegburg. Das Einzelheft kostet 5 Euro, ein Jahresabonnement 25 Euro. 

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