© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/20 / 15. Mai 2020

Kabinenklatsch
Der Totentanz ist kaum zu ertragen
Ronald Berthold

Manchmal bringt selbst der Corona-Popanz gute Nachrichten. Ganz ehrlich: Als leidenschaftlicher Fußball-Fan bin ich gegen den Neustart der Bundesliga. Und die Quarantäne, in die sich die Mannschaft von Dynamo Dresden aufgrund zweier Infektionen begeben mußte, ist in diesem Sinne eine frohe Kunde. Sollten sich künftig auch Spieler anderer Klubs infizieren, droht dasselbe Procedere. Damit wäre der Rest-Spielplan für die Tonne und könnte gleich dort bleiben.

Haben Sie das Champions-League-Spiel zwischen Paris St. Germain und Borussia Dortmund gesehen? Falls ja, dann wissen Sie, warum mich die Fortsetzung des Spielbetriebes nicht vor Begeisterung aus dem Sessel reißt wie ein wichtiges Hertha-Tor. Diese Partie hat mich deprimiert – weniger, weil der deutsche Verein ausgeschieden ist. Vielmehr konnte ich diese Friedhofsatmosphäre schwer ertragen.

Die Stimmung auf den Rängen beim Spiel Liverpool gegen Madrid schlug im Wohzimmer ein.

Nach der ersten Halbzeit hatte ich auf die Konferenz umgeschaltet und kam so auch in den Genuß des Parallelspiels Liverpool gegen Atletico Madrid. Auch hier schied nach meinem Empfinden die falsche Mannschaft aus. Aber die Stimmung auf den Rängen von Anfield schlug wie ein Funke in mein Wohnzimmer. Der Kontrast zum Totentanz von Paris war so immens, daß ich keine Lust mehr hatte, beim BVB-Spiel zuzuschauen. Und dabei bin ich kein Event-Fan. Mich interessieren die taktischen Aufstellungen, das Verschieben, die Art des Pressings und Gegenpressings, versuche die Taktik des Trainers zu lesen. Aber ohne Anfeuerung, Jubel und Stöhnen der Massen ist so ein Spiel sehr gewöhnungsbedürftig. Mehr noch: Daran gewöhne ich mich nie. Gut, ich werde einschalten, wenn Hertha am Sonnabend in Hoffenheim kickt. Ich kann nicht anders. Aber Vorfreude? Oder gar die Vorstellung, dabei mitzufiebern? Beides fehlt völlig.

Daher können meinetwegen gern reihenweise Bundesligaspieler positiv getestet werden. Sie bleiben merkwürdigerweise sowieso meist völlig symptomfrei. Wenn mir nur die neun Geisterspieltage erspart blieben. Jungs, simuliert ein wenig und eifert Dynamo Dresden nach!