© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/20 / 22. Mai 2020

Yoram Hazony. Der israelische Publizist plädiert für einen konstruktiven Nationalismus.
Quell der Tugend
Karlheinz Weißmann

Wenn Yoram Hazony spricht, hat das gleichzeitig etwas Werbendes und Eindringliches. Man spürt, da meint es jemand ernst – etwa seine Erklärung, daß er „Nationalist“ sei – und Nationalismus im Grunde die einzig mögliche Überzeugung eines anständigen Mannes: So wie man seine Frau, Kinder und Gemeinde liebe, so sollte man auch sein Volk lieben.

Daß Hazony sich solches erlauben kann, ohne der Ächtung zu verfallen, und daß sein 2018 – leider nicht auf deutsch – erschienenes Buch „The Virtue of Nationalism“ (Die Tugend des Nationalismus) im Folgejahr von einer US-Denkfabrik zum „Konservativen Buch des Jahres“ gekürt wurde, hat auch mit seiner Herkunft zu tun. Als Israeli (er wurde 1964 nahe Tel Aviv geboren), jüdischer Theologe (er vertritt eine moderate Linie der Orthodoxie) und Zionist (er leitet das Herzl-Institut in Jerusalem) bietet sich ihm deutlich mehr Spielraum als anderen. Was selbstverständlich nichts gegen die Geltung seiner Auffassungen sagt, die er umfassend begründet. Im Kern geht es Hazony um zwei Gedanken: die Nation als ausschlaggebende politische Ordnung, für die das Volk Israel in der Bibel ein Urmodell bietet; und die Nation als natürlicher Verband, der seinen Platz in der aufsteigenden Reihe organischer Gemeinschaften hat, die bei Ehe und Familie beginnen.

Der letzte Punkt erklärt etwas vom Engagement Hazonys in puncto angelsächsischer Konservatismus. Der Politologe gehörte schon während seines Studiums in Princeton zu den Bewunderern Margaret Thatchers und Ronald Reagans. Heute hat er neben vielen anderen Leitungsämtern auch das des Vorsitzenden der amerikanischen Edmund-Burke-Foundation inne. Die macht es sich zur Aufgabe, das Erbe des konservativen Gründervaters nicht nur zu wahren, sondern auch zu nutzen, um politische Impulse für die Gegenwart zu setzen. Die zwei Kongresse zum Thema „Nationalkonservatismus“, die unlängst in Washington und in Rom stattfanden (JF berichtete), wurden von Hazony organisiert und erregten schon wegen der offensiven Formulierung des Leitgedankens „Gott, Ehre, Vaterland“ erhebliches Aufsehen.

Hinzu kam die breite internationale Beteiligung: Auf dem Podium sah man Amerikaner, Briten, Franzosen, Italiener, Niederländer, Belgier, Serben und Ungarn – allerdings keinen Deutschen. Was deshalb mißlich war, weil es gerade die deutsche Tradition ist, die einerseits den Gedankengängen Hazonys nahesteht, andererseits eine Reflexion des Zusammenhangs von Nation und Nationalismus geleistet hat, hinter die niemand zurück kann. Zu deren Ergebnissen gehört, daß eine „Bruderschaft der Nationen“, wie sie Hazony erhofft, ein schöner Traum bleiben wird, weil der Nationalismus – ganz gleich, wie man ihn zu zähmen sucht – mit der politischen Machtfrage verknüpft ist.