© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/20 / 22. Mai 2020

„Eine Prämie ist nicht an der Zeit“
Quartalszahlen: Die weltweit 550.000 Post-Mitarbeiter sind wegen der Corona-Krise im Dauereinsatz / Teure Altlast Streetscooter
Christian Schreiber

Sechs von zehn Firmen in Deutschland erwarten auch im kommenden Jahr starke Auswirkungen auf ihr Geschäft. Die Talsohle der Corona-Krise sei „immer noch nicht durchschritten. Die Erholung wird länger dauern, als viele vermuten“, warnt der Ökonom Michael Grömling bei der Vorstellung der jüngsten Konjunkturumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft. Die Deutsche Post AG hat hingegen keinen Grund zur Klage: Im ersten Quartal hat der Bonner Konzern seine Erlöse im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um ein Prozent auf 15,5 Milliarden Euro erhöht.

„Wir halten die Weltwirtschaft am Laufen“

Die Post-Probleme sind hingegen Altlasten geschuldet: So sank das operative Ergebnis um fast die Hälfte auf 592 Millionen Euro ab, unter dem Strich blieben 301 Millionen Euro übrig. Das sind 60 Millionen Euro weniger als im Vorjahreszeitraum. Die Abwicklung des praxisuntauglichen Elektrotransporters Streetscooter (JF 12/20), dessen Produktion in diesem Jahr eingestellt wird, verursacht hohe Kosten. 234 Millionen Euro wurden dabei in den politischen Sand gesetzt. Im vergangenen Jahr habe der Streetscooter rund 100 Millionen Euro Verlust gemacht.

Die Unterbrechung traditioneller Lieferketten aufgrund der Handels- und Einreisebeschränkungen belastet auch den Post-Konzern, aber der Bestell-Boom, der an die Vorweihnachtszeit erinnert, gleicht das aus. Die weltweit 550.000 Post-Mitarbeiter sind im Dauereinsatz: „Es ist sehr schön zu sehen, daß wir die Weltwirtschaft am Laufen halten“, sagt Vorstandschef Frank Appel bei der Präsentation der Quartalszahlen. In der Spitze transportierte der Postbereich DHL rund neun Millionen Pakete pro Tag; das entspricht einer Steigerung um mehr als 40 Prozent im Vergleich zu normalen Zeiten.

Doch in barer Münze zahlt sich der hohe Arbeitseinsatz für die „Paket-Helden“ nicht aus. Während die Kommunikationsgewerkschaft DPV eine Einmalzahlung von 1.000 Euro fordert, denkt der Postvorstand an seine Aktionäre – darunter mit einem Fünftel der Bund über die KfW-Bank. „Eine Prämie ist nicht an der Zeit“, sagte Appel. „Ein Dauer-Dankeschön für diese Herausforderung ist zwar das Mindeste, aber kein anerkanntes Zahlungsmittel“, entgegnet DPV-Chefin Christina Dahlhaus. Die Verweigerung einer Corona-Leistungszulage sei ein Armutszeugnis.

Die sehr ungleiche Bezahlung der deutschen Postler ist aber ein Dauerthema. Im April legte der Konzern die Billigtochter Delivery mit dem klassischen Zustellbetrieb zusammen. Dort verdienen Angestellte deutlich schlechter. Hintergrund ist ein Sparprogramm von Appel, der den Gewinn der Brief- und Paketsparte um eine halbe Milliarde Euro erhöhen will. Die konkurrierende Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hält die Sonderprämie für Paketzusteller für problematisch: „Diese einmaligen Zahlungen würden vom Arbeitgeber genutzt werden, um Nullrunden zu rechtfertigen“, warnt Verdi-Sprecher Stephan Teuscher. Statt dessen sollten bei den anstehenden Tarifverhandlungen Lohnerhöhungen für die Beschäftigten durchgesetzt werden.

Rücksichtnahme auf den US-Investor Blackrock?

Möglicherweise hängt die harte Haltung der Konzernspitze auch mit der Rücksichtnahme auf den größten Privatinvestor Blackrock zusammen, der zwischen fünf und sechs Prozent der Postaktien hält. Ende 2019 hatte die New Yorker Fondsgesellschaft noch geprahlt, die gigantische Summe von 7,4 Billionen Dollar zu verwalten. Bis zum 1. April brachen die von Blackrock verwalteten Vermögenswerte aber um 13 Prozent ein, der Quartalsgewinn reduzierte sich um 23 Prozent. Die kommenden Corona-Folgen sind da noch nicht eingerechnet. Der US-Investor, in dessen Aufsichtsrat der CDU-Mann Friedrich Merz lange mitwirkte, ist nach der KfW der zweitgrößte Anteilseigner.

Post-Boß Appel betont derzeit gern, daß es nicht die Zeit für Geschenke sei. „Wir wissen noch nicht, wie stark dahinter der Covid-Effekt steckt oder wie hoch die strukturellen Verschiebungen sein werden“, sagt er. Die meisten Handelsexperten prognostizieren aber, daß der Versandhandel auch nach Corona gefragt sein wird. Davon würde die Post unmittelbar profitieren. Die Gewerkschaften werden spätestens dann erneut auf der Matte stehen.

Quartalszahlen der Deutschen Post AG: dpdhl.com