© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/20 / 22. Mai 2020

Kabinenklatsch
Jubeln muß erlaubt sein
Ronald Berthold

Es scheint Leute zu geben, die sich den ersten Bundesliga-Geisterspieltag nur angeschaut haben, um alles zu überwachen. Einer davon ist die Oberspaßbremse aus Bayern. Bitter stieß Markus Söder auf, daß sein Spitzelblick miteinander jubelnde Spieler ertragen mußte.

Es sei „sehr wichtig“, daß dies unterbleibe, erklärte der selbsterklärte Wächter über unser soziales Verhalten – im Nebenjob Ministerpräsident des „Frei“-Staates Bayern. Die Liga müsse „nachschärfen“. Söder: „Alle müssen sich an die Regeln halten.“ Sonst was? Eine Drohung verkniff sich der Möchtegern-Corona-Diktator. Noch.

Was war passiert? Hertha-Spieler hatten sich tatsächlich nach zweien ihrer drei Tore in Hoffenheim kurz umarmt. Ohne die Stimmung auf den Rängen gaben die Berliner Emotionen wenigstens ein klitzekleines bißchen Fußball-Atmosphäre zurück. 

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit standen überall kerngesunde Sportler auf dem Platz

Damit stellt sich die Frage, was die „Empfehlung“ – keine „Regel“, Markus – überhaupt soll. Über 90 Minuten gehen die Kicker in Zweikämpfe, stehen beim gegnerischen Freistoß dicht an dicht in der Mauer und tummeln sich bei einer Ecke Mann an Mann im Strafraum. Manche Fouls ähneln einem Ringkampf. Aber sich für Sekunden miteinander freuen sollen sie nicht?

Pardon, das ist kompletter Schwachsinn. Vor dem Spieltag war jeder Fußballer, Trainer, Betreuer sechsmal auf das Corona-Virus getestet worden. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit standen also überall kerngesunde Sportler auf dem Platz. Warum dürfen die sich nicht einmal die Hand geben? Wenn die Bilder aus Hoffenheim – oder besser gesagt: die sterilen aus den anderen Stadien – eines gezeigt haben, dann daß die Bundesliga wirklich „nachschärfen“ muß. Aber anders als es der Münchner Miesepeter will: Jubeln sollte erlaubt sein. Das ist Ausdruck von Freude. Torjubel verbindet seit Jahrzehnten die Menschen aller Klassen. Sozialer Status hat dabei noch nie eine Rolle gespielt. In freudlosen Zeiten wie diesen können sich umarmende Männer ein Lichtblick sein. Typen wie Söder erlauben uns dagegen eher einen Blick in die Finsternis.