© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/20 / 29. Mai 2020

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Radebeul: Streit um  Kulturamtsleiter

RADEBEUL. Der CDU-nahe Oberbürgermeister von Radebeul Bert Wendsche hat sein Veto gegen die Berufung des Schriftstellers Jörg Bernig zum neuen Kulturamtsleiter der sächsischen Stadt eingelegt. „Die durch den Beschluß bereits jetzt schon deutlich spürbare Polarisierung wirkt sich aus meiner Sicht negativ und nachteilig für die Stadt aus“, begründete er am Montag seinen Widerspruch. Der Stadtrat solle nun noch einmal über die Besetzung des Amtes entscheiden. Der 56jährige Bernig war am Mittwoch voriger Woche im Radebeuler Stadtrat auf Vorschlag der CDU und mutmaßlich mit den Stimmen der AfD zum neuen Leiter des Kulturamtes gewählt worden. In den Tagen danach hatten Kunst- und Kulturschaffende mit scharfer Kritik auf die Wahl Bernigs reagiert. In einem offenen Brief äußerten sie ihr „Entsetzen und Unverständnis“. Bernig stehe im Widerspruch zu all dem, „was die Radebeuler Kulturlandschaft seit Jahrzehnten prägt und einzigartig macht“, heißt es in dem Protestschreiben. Durch die Wahl Bernigs drohe der Stadt ein „riesiger Imageschaden“ und auch ein wirtschaftlicher Schaden, sagte der Geschäftsführer des Kulturvereins Radebeul, Björn Reinemer. Die Kritik entzündete sich an Bernigs politischen Ansichten. Ihm wird vorgeworfen, in rechten Magazinen wie Tumult oder Sezession zu veröffentlichen. In einem Essay für die Sächsische Zeitung hatte er sich 2015 und im Jahr darauf in seiner „ Kamenzer Rede“ (JF 40/16)gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung gewandt. Bernig gehörte auch zu den Erstunterzeichnern der „Erklärung 2018“. Der von der ehemaligen DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld initiierte Aufruf wendet sich gegen eine „Beschädigung Deutschlands“ durch die Zuwanderungspolitik während der Zeit der Flüchtlingskrise 2015. Unterschrieben ist er außer von  Henryk M. Broder und Thilo Sarrazin auch von konservativen und rechten Publizisten, Künstlern und Wissenschaftlern. Ebenfalls kritisch zu Bernigs Wahl äußerte sich der Schriftstellerverband PEN, dessen Mitglied der Erzähler und Lyriker ist. Das deutsche PEN-Zentrum wende sich „mit aller Schärfe gegen nationalistische Bewegungen, insbesondere gegen Positionen, wie sie AfD, Pegida und ähnliche Gruppierungen vertreten“, erklärte Präsidentin Regula Venske am Montag. Ihr Verband fordere Bernig auf, „seine Position zu überdenken“. Er solle „prüfen, inwieweit er seine Verpflichtung gegenüber der PEN-Charta wahrnehmen kann, und gegebenenfalls die notwendigen Konsequenzen ziehen“, teilte die Schriftstellervertretung mit.  Bernig ist Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste und erhielt diverse Auszeichnungen, darunter den Eichendorff-Literaturpreis. Zuletzt veröffentlichte er in diesem Frühjahr die Essay-Sammlung „An der Allerweltsecke“. (tha)