© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/20 / 29. Mai 2020

Blick in die Medien
Gegen den Strom schippern
Ronald Berthold

Manches kann man sich kaum vorstellen. Zum Beispiel, daß ein Medium Donald Trump, Alice Weidel und Steve Bannon zeigt und verkündet: „Laßt uns die Meinungen der anderen feiern.“ Ein ungewöhnliches Versprechen. Gabor Steingart hat es in einem Werbefilm mit seiner Tochter Timea für sein neues Medien-Unternehmen „The Pioneer“ aufgenommen.

Seit einem Jahr meldet sich der 57jährige täglich mit dem Newsletter „Steingarts Morning Briefing“. Wer den abonniert hat, bekommt tatsächlich nicht nur die eine Sicht, der sich fast alle anderen Mainstream-Medien verschrieben haben. Steingart bürstet gegen den Strich. Das ist nicht neu. Er hat sich das Abweichlertum bereits als Politik-Chef beim Spiegel und als Handelsblatt-Chefredakteur geleistet.

Seit dem 18. Mai schippert Steingarts Redaktionsschiff durch das Regierungsviertel.

Neu ist der Gegenwind, der ihm entgegenbläst. Als Kapitän seines Redaktionsschiffes, das seit dem 18. Mai in der Spree rund um das Berliner Regierungsviertel schippert, müßte er das aushalten. Steingart, obwohl er immer auch den Mainstream bedient, wird gefährlich. Denn das Boot nimmt Fahrt auf. Mit dem Medienhaus Axel Springer hat er sich einen finanzstarken Partner geangelt. Zudem soll ein variierender Monatsbeitrag – von 10 Euro bis zu 833 Euro je nach gewünschtem Inhalt der Nutzer – Geld in die Kassen spülen.

Nun schlägt man Alarm. Der „Deutschlandfunk“ spricht ihm ab, ein Alleinstellungsmerkmal zu haben, wenn er, wie bei seiner Ablehnung der Corona-Bonds, gegen den Strom schwimmt. Es gebe doch eine vielfältige Medienlandschaft, die stets alle Meinungen abbilde. Echte Realitätsverweigerung. Und geschockt sind alle, daß er die Meinungen der anderen, sprich: der Aussätzigen, zelebrieren will. Nahezu grotesk mutet der Vorwurf des Branchendienstes „Übermedien“ an: „Zu jeder These sammelt er ausschließlich Indizien, die sie bestätigen.“ Mag manchmal sein – wäre er damit ein Exot? Genau das ist doch das erste Gebot des selbsternannten Leitmedien-Journalismus.