© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/20 / 05. Juni 2020

„Angriffe auf Menschen“
Donald Trump will die Antifa zur „Terrororganisation“ erklären. – Trifft das auch auf ihre deutsche Version zu? Ja, so der Journalist und Politologe Claus-M. Wolfschlag, sie erfülle diesen Tatbestand gemäß Strafgesetzbuch. Doch warum ist sie dann bei uns nicht verboten?
Moritz Schwarz

Herr Dr. Wolfschlag, Präsident Trump will die Antifa zur „Terrororganisation“ erklären. Wäre das hierzulande auch nötig?

Claus-M. Wolfschlag: Im Strafgesetzbuch heißt es zu „Bildung einer terroristischen Vereinigung“, daß sich strafbar macht, wer organisiert Straftaten gegen die persönliche Freiheit begeht, „einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden“ zufügt oder „die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern“ versucht. All das trifft zweifellos auf „die Antifa“ zu.

Warum ist das dann nicht längst passiert? 

Wolfschlag: Wäre die Antifa eine bürgerlich strukturierte Vereinigung mit Mitgliedskartei und Vorsitzendem, könnte ein Verbot theoretisch erfolgen. Indes, es gibt „die Antifa“ als homogene Gruppierung nicht. Vielmehr besteht sie aus lokal agierenden Gruppen, die Kontakt durch persönliche Treffen, Telefonketten und Internetmitteilungen halten. Dabei existieren bestimmte Hierarchien und Gruppendynamiken. Solche nicht im herkömmlichen Sinne institutionalisierten Bünde sind in ihrer Organisation weit moderner als klassische Vereine, auf die der Staat viel leichter Zugriff hat.

Obwohl die Terror-Kriterien erfüllt sind, ist also nichts zu machen – im Ernst?

Wolfschlag: Natürlich könnten ihre Strukturen stärker beobachtet und polizeilich ausgehoben werden. Aber: Gegen wen verüben diese „Antifaschisten“ denn ihre Gewalt? Randalieren sie etwa vor dem Reichstag? Marschieren sie ins Kanzleramt? Attackieren sie Konzernzentralen? Stürmen sie die Redaktion des ZDF-„heute-journals“? Nein, sie richten sich nicht gegen die Mächtigen, sondern allein gegen die einzige konsequente Opposition im Land – und die wird auf der rechten Seite des politischen Spektrums verortet: Seien es Einwanderungskritiker, Lebensschützer, „Geschichtsrevisionisten“, Skeptiker der dominanten Definitionen zum Klimawandel oder der Corona-Gefahr. Der ganze Zirkus, den linke „Rebellen“ manchmal bei Demonstrationen auf der Straße veranstalten, deckt sich hingegen inhaltlich weitgehend mit der Haltung der tonangebenden Politiker, Medienvertreter und sogar Teilen der Industrie.

Aber wir leben in einem Rechtsstaat, da kann das doch keine Rolle spielen.

Wolfschlag: Im Gegenteil, denn die „Antifa“ erzeugt schließlich eine Drohkulisse gegen „reaktionäre“ Oppositionelle. Warum also sollten jene, die mit rotem Schlips in den Parlamenten oder in den einschlägigen Redaktionsstuben sitzen, wirklich etwas gegen diese Gruppierungen unternehmen? Sie erledigen doch die Drecksarbeit und beißen unbequeme politische Konkurrenz weg.

Der Verfassungsrechtler und ehemalige Bundesminister Rupert Scholz (CDU) immerhin meint, die Antifa gehöre verboten. Und tatsächlich werden ja auch Union und FDP mitunter Opfer ihres Terrors. Wieso kommt von beiden Parteien dennoch keine Forderung nach einem Verbot?

Wolfschlag: Union und FDP haben schon lange keinen eigenen politischen Gestaltungswillen mehr. Stattdessen setzen sie eine ähnliche Agenda um wie der linke Zeitgeist – allerdings mit angezogener Handbremse, um ihre Wähler­klientel nicht zu sehr zu verschrecken. Ich saß vor zweieinhalb Jahren bei einer Anhörung im nordrhein-westfälischen Landtag, bei der selbst der Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung erklärte, sich als „Antifaschist“ zu sehen! Das schwarz-weiße Denkmuster, das Jahrzehnte in Schule und Medien verbreitet wurde, hat offensichtlich ganze Arbeit geleistet.

Linke Gewalt, heißt es, richte sich „nur gegen Sachen“. Wie ist diese Behauptung möglich, wenn, wie Sie sagen, die Antifa sogar das Kriterium des Terrors erfüllt?

Wolfschlag: Eben! Denn regelmäßig gibt es Verletzte, teils sogar Schwerverletzte. Der Angriff im Mai in Stuttgart auf Andreas Ziegler von der Gewerkschaft „Zentrum Automobil“, der seitdem im Koma liegt, ist nur ein Beispiel von vielen. Außerdem richtet sich auch die „Gewalt gegen Sachen“ tatsächlich gegen Menschen. Denn „Antifaschisten“ zerstören ja nicht etwa irgendwelche herrenlosen Bretter, die zufällig auf einem Feldweg liegen, sondern attackieren gezielt das Eigentum und den persönlichen Lebensbereich von Menschen. Sie erzeugen Angst durch die Beschädigung des Wohnbereichs, des Fahrzeugs, der persönlichen Habe. Das sind direkte Angriffe auf Menschen, denn sie hinterlassen seelische Wunden.

Wieso gelingt es der Antifa, sich dennoch positiv darzustellen?  

Wolfschlag: Ihre eigene Möglichkeit dazu ist begrenzt. Sie hat aber viele Sympathisanten und wird meist positiv dargestellt, zumindest aber verharmlost. Zudem sind die Medien von einer Generation geprägt, die unter der Dominanz linker Haltungen politisch sozialisiert wurde. Nicht nur Jungjournalisten sind mit der comichaften Welt der „Inglourious Basterds“ aufgewachsen und sehen sich heute Netflix-Serien wie „Wir sind die Welle“ oder „Hunters“ an, in denen die Jagd und Ermordung von „Nazis“ als lustvolles Spiel dargestellt werden. Und diese Botschaft ist nicht nur eine historische – die Suche nach „Neuen Nazis“ ist ein Faktor der Machtstabilisierung. Sie wird zur moralisch legitimierten Ableitung eigener sadistischer Triebe benötigt. „Rechte“ sind für sie nur Menschenfeinde, „Zombies“, denen man auf jede Art das Maul stopfen darf und um die es nicht schade ist. Absolut primitiv – aber es funktioniert.          






Dr. Claus-M. Wolfschlag, der Politikwissenschaftler schrieb seine Doktorarbeit „Das antifaschistische Milieu“ über die politische Repression gegen „rechts“. Geboren wurde er 1966 im hessischen Bad Wildungen. 

Foto: Ausschreitungen in Los Angeles, Antifa in Kampfmontur in Portland: „Als terroristische Vereinigung gilt, (wer) ... ‘die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern versucht‘. Das trifft auf die Antifa zu.“ (C. Wolfschlag) „Hauptproblem ist nicht die Antifa ... sondern eine Elite, die einen Rassismus in den Mittelpunkt stellt, der so gar nicht existiert“ (P. Gottfried) 

 

weitere Interview-Partner der JF