© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/20 / 05. Juni 2020

Grüße aus Brüssel
Bei Uschi brennt’s
Albrecht Rothacher

Alles ist leer. Keine Kantinen, Kneipen. Alle netten und meist teuren Restaurants sind dicht. Es gibt keine Lobbyisten, keine Think Tanks mehr, keine Mittags-, keine Abendveranstaltungen, keine Panel-Vorträge mit wichtigen Zeitgenossen, keine Studentengruppen, vor denen man lustige Vorträge halten konnte, keine Diplomatenempfänge, kein nichts. Die Verkehrsstaus sind weg, und auch die meisten Bettler. Die Hotels, die Taxen und die Flugplätze sind leer.

Mein Körpergewicht ist in drei Monaten von 113 Kilo auf 96 abgesackt. Super, die Hosen rutschen, und jetzt kann ich zehn Jahre länger ohne Diabetes leben. Ich denke mir nur: die armen Praktikanten, die unbezahlt in irgendwelchen Löchern hausen müssen, nicht mehr aus dem Land herauskönnen und in kein Büro mehr hineinkommen. Immerhin treffe ich noch ein paar heroische Abgeordnete der AfD wie zum Beispiel Lars-Patrick Berg, Markus Buchheit und Gunnar Beck. Aber ansonsten sind Parlament und Kommission seit Wochen gähnend leer.

Bei Uschi ist nachts immer Licht an. Die legt jetzt ein Wahnsinnsschuldenpaket auf.

Im 13. Stock des Berlaymont haust bekanntlich Uschi von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission. Und das Licht ist bei ihr nachts immer an, wie einst im Kreml. Als alter Panzergrenadier habe ich ihr natürlich meine Dienste angeboten. Sicher nicht für ihre Corona-Bonds, aber ich konnte nicht anders. Aber sie hat höflich und freundlich abgelehnt. Sie hat schon zwei Trupps, die ihr in zwei Schichten zuarbeiten, und die jetzt ein Wahnsinnsschuldenpaket nach dem anderen auflegen.

Die Atmosphäre in der Stadt bleibt niederdrückend. Die Videokonferenzen können den menschlichen Kontakt nicht ersetzen. Das schlägt sich auch auf die europäische Entscheidungsfindung nieder.

Und persönlich: Nach drei Monaten sozialer Zwangsisolation ist man mürbe. In drei Monaten habe ich mit genau gezählten zehn Menschen gesprochen, abgesehen einmal von „Bon jour“, „Merci“ und „Bonne journeé“ im Supermarkt und bei unserer Wache. Man muß wie ein maskierter Affe in der U-Bahn fahren (die ausnahmsweise meist leer und sauber ist). Aber keiner, der einem auf der Straße begegnet, grüßt, so wie es früher normal war. Jeder schaut einen an, als hätte man die Pest und wechselt den Gehsteig. Aber wir Menschen sind nun mal soziale Tiere, haben das Grundrecht auf Freizügigkeit und können nicht endlos bevormundet werden.