© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/20 / 05. Juni 2020

Der Wohnort hat einen erheblichen Einfluß
Regionale Preisniveaus: Prognos-Studie liefert Kostenanalysen zum Lebensstandard im Alter in den 401 deutschen Stadt- und Landkreisen
Christian Schreiber

Vor 30 Jahren betrug die Netto-Standardrente bei 45 Versicherungsjahren noch 55,1 Prozent des Durchschnittsgehalts. Der Beitrag zur Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) lag bei 18,7 Prozent. Heute sind es 18,6 Prozent, doch nach den diversen Rentenreformen und angesichts der Tatsache, daß statt 19 Millionen nun 26 Millionen Renten finanziert werden müssen, sank das GRV-Rentenniveau auf 48 Prozent. Und laut Rentenversicherungsbericht sollen es 2032 nur noch 44,9 Prozent sein. Hinzu kommen mehr unterbrochene Erwerbsbiographien, Niedriglöhne, Minijobs oder (Schein-)Selbständigkeit – sprich: Millionen droht künftig Altersarmut.

Privatvorsorge ist für sie unbezahlbar. Betriebliche Zusatzrenten gibt es oft ebenfalls nicht. Bestenfalls können sie auf eine Grundrente hoffen. Wer aber einen Umzug nicht scheut und im Alter ohnehin nicht auf seine Kinder zählen kann, hat eine Alternative: In Polen, Ungarn, der Tschechei, Bulgarien oder Griechenland sind die Lebenshaltungskosten viel geringer als in Deutschland. Und für gesetzlich Versicherte sind Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte in allen EU-Staaten möglich.

Aber warum gleich auswandern? Die Kaufkraft der Renten in Deutschland variiert regional um bis zu 52 Prozent. So haben 1.000 Euro für Rentner in München, dem teuersten deutschen Altersruhesitz, eine Kaufkraft von nur 760 Euro. In Elsterwerda im südbrandenburgischen Landkreis Elbe-Elster – dem bundesweit günstigsten Wohnort – liegt der reale Wert dagegen bei 1.160 Euro. Zu diesem Ergebnis kommt eine Prognos-Studie für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft.

Das günstigste Bundesland ist Sachsen-Anhalt

Grundlage der Untersuchung ist ein westdeutscher Musterrentner, der 45 Jahre GRV-Beiträge gezahlt und dabei einen Durchschnittsverdienst hatte (2020: 3.379 Euro brutto). Er kommt damit auf 1.487 Euro Rente – vor Abzug von Steuern und Krankenversicherung.

Wie gut kann er davon leben? Wer in München zur Miete wohnt, muß mit 9,74 Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter rechnen. Der deutsche Durchschnitt liegt laut Mietspiegelindex nur bei 7,04 Euro. „Der Wohnort hat großen Einfluß auf die Lebenshaltungskosten und damit den Wohlstand im Alter“, erklärte Prognos-Studienautor Heiko Burret. Weil die Mieten im Landkreis Ludwigslust-Parchim (Mecklenburg) niedrig sind, sind dort 1.000 Euro Rente real 1.096 Euro wert. Im Kreis Mecklenburgische Seenplatte sind es 1.083 Euro, in Nordwestmecklenburg 1.069 Euro und im Landkreis Rostock 1.029 Euro. In der Landeshauptstadt Schwerin sind es nur 1.021 Euro, in der Unistadt Rostock sind es 1.013 Euro und im touristischen Landkreis Vorpommern-Greifswald sind es 1.007 Euro.

In teureren Gegenden sind die Löhne und Renten zwar tendenziell höher, aber Putzfrauen, Kellnerinnen, Wachleute oder Leiharbeiter werden überall schlechter bezahlt: „Einbußen beim Lebensstandard drohen überall dort, wo die Alterseinkünfte im Verhältnis zum regionalen Preisniveau sehr niedrig ausfallen“, so Burret. Sieben der bundesweit zehn teuersten Wohnorte befinden sich in Bayern – darunter die Landkreise München und Starnberg. 40 der 50 teuersten Regionen verteilen sich auf Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Für die Auswertung der Lebenshaltungskosten in den 401 deutschen Kreisen und kreisfreien Städten paßte Prognos die Gewichtung des statistischen Warenkorbs an das Konsumverhalten der über 65jährigen an. Gesundheitsausgaben und Mieten haben mehr Gewicht. Unter den preiswertesten „Top-Fünf-Kreisen“ findet sich mit Holzminden im Weserbergland nur einer auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik. Generell ist das Leben in Nord- und Mitteldeutschland billiger, wo mit Hamburg, Nordfriesland, Berlin und Potsdam nur vier der 50 teuersten Regionen liegen.

Günstigstes Bundesland ist Sachsen-Anhalt: In allen 14 Kreisen und kreisfreien Städten liegen die Lebenshaltungskosten unter dem Bundesschnitt, elf davon liegen sogar um mehr als zehn Prozentpunkte darunter. Gute Lebensbedingungen für Senioren attestierten die Forscher generell vielen kleineren bis mittelgroßen Städten – mit Jena und Suhl landeten zwei thüringische Städte auf den vorderen Plätzen.

Auf Rang vier rangierte Dessau, auf Platz 21 Magdeburg: „Nicht nur die Kaufkraft bei Rentnern unterscheidet sich. Auch die realen Lebenshaltungskosten von Studierenden sind in Magdeburg deutlich günstiger als etwa in München“, erklärte der Magdeburger Ökonomieprofessor Joachim Weimann in der Volksstimme. Und: Auch bei den Corona-Fällen sind Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt ein wahres Gesundheitsparadies.

Studie „Regionale Kosten der Altersvorsorge“:  www.prognos.com

Lebenskostenplaner des GDV:  www.7jahrelaenger.de