© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/20 / 05. Juni 2020

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Die Diözese Bordeaux hat einen Spendenaufruf zugunsten der örtlichen Moscheegemeinden erlassen, damit Bedürftige – neben Armen und Studenten vornehmlich illegale Einwanderer – beim abendlichen Fastenbrechen im Ramadan versorgt werden können.

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Unwomen – eine Teilorganisation der Uno – hat eine Handreichung für „nichtsexistischen“ Wortgebrauch herausgegeben, ergänzt um eine Liste derjenigen Begriffe, die man künftig zu meiden hat, wenn man nicht der Herrschaft fataler Stereotypen Vorschub leisten will. Parole: „Hilf eine gleichere Welt zu schaffen durch eine gender-neutrale Sprache“.

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Wann genau ist eigentlich von wem die absurde Vorstellung etabliert worden, daß Feminismus eine akzeptable Geisteshaltung ist?

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Der triumphierende Ton, mit dem die Schließung der sogenannten „Transitzonen“ für Migranten in Ungarn auf Druck der EU kommentiert wird, soll auch davon ablenken, daß die Regierung Orbán gleichzeitig eine weitergehende Verschärfung des nationalen Asylrechts angekündigt hat, zu dem Zweck, jede Art illegaler Einwanderung zu entmutigen.

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Gespräch mit einem – seit langem in Deutschland lebenden – Franzosen über die Unterschiede hinsichtlich des Verlaufs der Corona-Krise hier und bei unserem westlichen Nachbarn. Seine Quintessenz: „Ganz einfach – Ihr habt Disziplin, wir nicht.“

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Die Debatte über den inneren Zusammenhang zwischen Antikolonialismus und Antisemitismus ist nur in einer Hinsicht von Belang: An ihr wird ablesbar, daß es in jeder geschichtspolitischen Auseinandersetzung, die moralisch arbeitet, „Schuld“ und „Unschuld“, „Täter“ und „Opfer“ feststellt, auch um Interessen geht, auch um ganz handfeste.

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Nach langer Zeit hat Berthold Kohler wieder einen Leitartikel geschrieben („Sogar die Deutschen“, Frankfurter Allgemeine vom 22. Mai), der sich nicht liest, als ob er dem Regierungsanzeiger entnommen wäre. Es geht darin um die Frage, welche Folgen das Maßnahmenpaket zur Bewältigung der Corona-Krise abgesehen von den finanziellen haben wird. Kohler plädiert nicht nur für die Anerkennung der Leistungen, die der Nationalstaat in der Krise erbracht hat, sondern weist auch auf dessen tiefe Verankerung in der Kollektivseele hin. Das „besondere Zusammengehörigkeitsgefühl“ wird hervorgehoben, das, so Kohler, „nicht erst im Zeitalter des Nationalismus entstand“. Die Feststellung ist ebenso überraschend wie die, daß „sogar die Deutschen“ irgendwann mit ihrer Geduld am Ende sein könnten, wenn man sie dauernd zwinge, mit jenen zu „teilen, die in der Vergangenheit vielleicht besser gefeiert, aber schlechter gewirtschaftet haben“. Um dem ganzen die Spitze zu nehmen, greift Kohler dann allerdings auf Argumentationsfiguren zurück, die so gründlich vernutzt worden sind, daß sie kaum noch Wirkung entfalten dürften. Da ist zum einen die Warnung vor den „Volksverhetzern aller Länder“, die die „Versöhnung“ zwischen den europäischen Nationen gefährdeten. Da ist zum anderen die Behauptung, daß die Europäische Union „noch“ nicht in der Lage sei, jene Bindungskräfte zu entfalten, die der Nationalstaat nach wie vor besitzt. Was den ersten Punkt angeht, wäre es an der Zeit, so ehrlich zu sein, daß die „Versöhnung“ regelmäßig eine auf unsere und auf Kosten der historischen Wahrheit gewesen ist und daß es hierzulande vielleicht „Volksverhetzer“ gibt, aber eben keine, die politische Resonanz gewinnen, es sei denn, sie stehen auf der Linken. Was den zweiten Punkt angeht, müßte ein kluger Kopf doch begreifen, daß kein politischer oder wirtschaftlicher oder geistiger Vorgang denkbar ist, der die Vielheit Europa zur Einheit umbilden könnte, womit sich dann auch die Erwartung einer europäischen Identität erledigt hat.

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In jedem Machtkampf kann man zwei entscheidende Fehler machen: die Intelligenz oder die Entschlossenheit des Gegners unterschätzen.

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Eines hat die Corona-Krise auf jeden Fall klargemacht: Was es bedeutet, daß der Fürsorgestaat – angeblich um unser aller Bestes besorgt – die organischen Strukturen zerstört hat. Das heißt, man erkennt sehr deutlich, welche Folgen es auch noch hat, daß möglichst jede Frau berufstätig sein sollte, selbst dann, wenn sie Mutter kleiner Kinder ist, wenn die Versorgung, Verpflegung, Bespaßung, Erziehung und Bildung von der Kita über den Kindergarten bis zur verläßlichen Ganztagsschule so umfassend geregelt wird, daß man sich gar keine Gedanken mehr um den Verbleib des Nachwuchses machen muß, während man irgendwo Geld verdient oder sich selbst verwirklicht. Aber auch wenn die Nachteile dieser milden Art von Bevormundung etwas klarer geworden sind (die Kosten bleiben nach wie vor verdeckt), wird sich kaum etwas ändern. Denn solche Betreuung zielt auf Abhängigkeit und bietet Komfort – eine unwiderstehliche Mischung.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 19. Juni in der JF-Ausgabe 26/20.