© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

Lesereinspruch

Um der Ehre willen

Zu: „Recht ohne Lobby“ von Gerd Seidel (JF 22/20)

Daß die Justiz Stiefkind der Politik und ohne Lobby ist, hat vielschichtigere Gründe. Mit Justizpolitik werden keine Wahlen gewonnen. Eine im wesentlichen geräuschlos und effizient arbeitende Justiz wird nicht als Leistung, sondern als Selbstverständlichkeit wahrgenommen. Zudem ist das von einer justizfremden Wirtschaftsvereinigung entworfene Zeitkorsett nicht Ausdruck einer politischen Intention, die eine zum Qualitätsverlust führende Gängelung des justitiellen Alltags zum Ziel hat. Richter und Staatsanwälte sind in der Organisation ihrer – allerdings aufgrund des erheblichen Umfangs der zugewiesenen Pensen bei weitem nicht ausreichenden – Arbeitszeit frei. Vielmehr ist die Beauftragung justizfremder Wirtschaftsprüfer ein politisches Instrument zur Gewinnung von Einsparpotential, da die Justizverwaltungen die von ihnen bestellten und maßgeblich konditionierten Gutachten als Grundlage für die Bestimmung des Personalbedarfs heranziehen. Schon beim Soldatenkönig stand der Ausspruch „travailler pour le roi de Prusse“ für die Überzeugung, daß das Beamten- und Offizierskorps in Preußen in erster Linie um der Ehre willen arbeite.

Rolf-Uwe Kurz, Berlin