© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

„Gibt noch viele Blockflöten“
Fall Borchardt: Trotz gegenteiliger Beschlüsse arbeitet die CDU auch anderswo mit der Linkspartei zusammen
Hinrich Rohbohm

Das Schweigen kann entlarvender kaum sein. Mit Barbara Borchardt (Linke) wurde eine Politikerin ins Landesverfassungsgericht von Mecklenburg-Vorpommern gewählt, die bereits 1976, zu Zeiten des DDR-Unrechtsregimes, in die SED eingetreten war, die den Bau der Berliner Mauer von 1961 als alternativlos ansieht, die Gründungsmitglied der Antikapitalistischen Linken ist, einer laut Verfassungsschutz linksextremen Organisation, deren seinerzeitiger Bundessprecher Anfang dieses Jahres auf einer Strategiekonferenz der Linkspartei gesagt hatte: „Wir müssen diesen parlamentsfixierten Abgeordnetenbetrieb schwächen. Und das machen wir damit, daß wir feststellen, was die Aufgaben einer Linken sind: Staatsknete im Parlament abgreifen. Informationen aus dem Staatsapparat abgreifen. Der Bewegung zuspielen. Den außerparlamentarischen Bewegungen das zuspielen.“

Ermöglicht wurde diese Wahl nur, weil CDU-Landtagsabgeordnete in Schwerin für Borchardt stimmten. Deren Hintergrund stellte für die Christdemokraten offenbar kein großes Hindernis für eine Eignung als Hüterin der Verfassung dar. Und erst recht nicht für die SPD. Im Gegenteil: Angeblich sollen die Sozialdemokraten sogar mit dem Ende der rot-schwarzen Koalition gedroht haben, sollte die Union Borchardt nicht mittragen. So als wäre die Linken-Politikerin eine SPD-Genossin.

Vor allem ist es jedoch ein weiterer unrühmlicher Tabubruch der CDU im Umgang mit den SED-Erben. Der Beschluß des CDU-Bundesparteitags von Hamburg, weder mit AfD noch mit Linkspartei zusammenzuarbeiten? Vergangen und vergessen. Ein Einschalten der Bundeskanzlerin in die Debatte mit der Aussage, daß dieser Vorgang unverzeihlich sei und rückgängig gemacht werden müsse? Fehlanzeige. Anders als beim FDP-Politiker Thomas Kemmerich zieht es Angela Merkel im Fall ihrer einstigen Mitschülerin auf der Erweiterten Oberschule von Templin vor, zu schweigen. Und mit ihr schweigt die komplette Führungsriege der Landes-CDU. Ebenso das Parteipräsidium im Adenauerhaus. 

„Posten, Karriere, Macht zählen mehr als Prinzipien“

Lediglich CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer kritisierte zumindest, daß die Wahl „dem Ansehen des Verfassungsgerichts“ schade. Doch „AKK“ ist eine Vorsitzende auf Abruf. Eine, die schon in Thüringen von der Kanzlerin übergangen und von der dortigen Landes-CDU ignoriert worden war, als es schließlich zur Unterstützung durch CDU-Politiker bei der Wahl von Bodo Ramelow (Die Linke) zum Ministerpräsidenten kam. Zudem hatte Thüringens CDU-Generalsekretär Raymond Walk erklärt, daß es eine punktuelle Zusammenarbeit von CDU und Rot-Rot-Grün geben werde.

Schon ein Jahr vor der Thüringen-Wahl hatte bereits der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) dafür geworben, in den neuen Bundesländern „Lösungen“ für eine Zusammenarbeit zwischen CDU und Linkspartei zu finden. Und Brandenburgs CDU-Spitzenkandidat Ingo Senftleben erklärte bereits ein halbes Jahr vor der Landtagswahl, daß er mit den SED-Erben koalieren würde. Trotz verheerender Wahlniederlage forderte er Anfang dieses Jahres die Bundes-CDU auf, ihren Parteitagsbeschluß in bezug auf die Linkspartei zu korrigieren. Die Begründung: Schließlich würde die CDU auf kommunaler Ebene ohnehin schon zusammenarbeiten.

Das tut sie in der Tat. Selbst in Ortsverbänden von Kramp-Karrenbauers Saar-CDU, wo man Kooperationen noch damit begründet, daß die Saar-Linke „sozialdemokratisiert“ sei und sich von ihren Parteiverbänden im Osten unterscheide. Im Osten Berlins, wo die CDU etwa in den Bezirken Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg ebenfalls mit den SED-Erben zusammenarbeitet, zählt dieses Argument nicht mehr. Im sächsischen Chemnitz wählte die dortige CDU-Fraktion einen auf dem Ticket der Linkspartei angetretenen Bewerber für das Amt des Bürgermeisters für Recht und Ordnung mit.

Die Zusammenarbeit erfolgt übrigens auch in umgekehrter Richtung. In Bad Kösen, einem Ortsteil in der Stadt Naumburg in Sachsen-Anhalt, ließ sich eine CDU-Kandidatin mit den Stimmen der Linkspartei zur Bürgermeisterin wählen. Und in Schwaan, einer 5.000 Einwohner zählenden Kleinstadt in der Nähe von Rostock, schmiedeten CDU und Linkspartei bereits 2012 ein gemeinsames Bündnis für die Bürgermeisterwahl, das erst die Schwaaner Bürger durch ihre Wahl eines ehemaligen örtlichen CDU-Vizes durchkreuzten, der von seiner Partei zugunsten einer von der Linken favorisierten Kandidatin ausgebootet worden war, als Konsequenz die CDU verlassen hatte, um dann erfolgreich als Einzelkandidat gegen das CDU/Linke-Bündnis anzutreten (JF 7/12).

„Posten, Karriere und Machterhalt sind vielen Funktionären wichtiger als die Prinzipien der eigenen Partei. Gerade bei uns im Osten gibt es ja auch noch viele Blockflöten, die schon vor der Wende mit der SED zusammenarbeiteten“, sagte ein Insider aus der CDU Mecklenburg-Vorpommern der JUNGEN FREIHEIT. 

Schon 2007 hatte der damalige Linkspartei-Spitzenkandidat in Sachsen-Anhalt, Wulf Gallert, prognostiziert: „Ich will nicht ausschließen, daß die Linke in acht bis zehn Jahren mit der CDU koalieren kann.“ 

Auch die Wahl einer Linksradikalen zur Verfassungsrichterin mit Unterstützung der CDU ist kein Einzelfall. In Hamburg gelangte Cornelia Ganten-Lange mit CDU-Stimmen ins Amt einer Verfassungsrichterin. Die Asylrechtsanwältin unterhält Kontakte in die linksextreme Szene und zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Ganten-Lange war 2009 erstmals auf Vorschlag der Grünen ins Verfassungsgericht gewählt worden. Sie vertrat mehrfach PKK-Anhänger und linksradikale Gruppen wie etwa das Bündnis „G20 – Not welcome“ oder die Veranstalter der gewalttätigen Bambule-Protestdemos. Ganten-Lange engagierte sich zudem gegen polizeiliche Maßnahmen zur Eindämmung linker Krawalle rund um den 1. Mai 2011 und sprach 2012 auf Veranstaltungen der Roten Hilfe und des kurdischen Rechtshilfefonds Azadi, die der Verfassungsschutz beide als extremistisch einstuft. Auch auf einer Diskussionsveranstaltung der Autonomen-Hochburg Rote Flora trat sie als Rednerin auf. 

Vorgänge, von denen man in der Hamburger CDU nichts gewußt haben will.