© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

Grüße aus Rio
Glücklicher Ausgang
Wolfgang Bendel

Am besten ist es, wir ziehen uns auf unsere Fazenda zurück“, meinte meine Frau, als Covid-19 auch den Teil Brasiliens erreicht hatte, in dem wir leben. Mit Fazenda meinte sie unsere Kakaoplantage, die in einem abgelegenen Winkel des Bundesstaates Bahia liegt. Die Pflanzung befindet sich in einer schwer zugänglichen Gegend, die man nur über einen Weg, genauer einen Saumpfad erreichen kann.

Schon wenige Tage nach unserer Ankunft setzten schwere Regenfälle ein, die eine der drei Brücken, die zu unserem Landgut führen, vollständig wegschwemmte. Seitdem waren wir von der Außenwelt isoliert. Der Bau eines wackligen Stegs, der nur für Tragtiere und Fußgänger passierbar ist, verbesserte unsere Situation nur unwesentlich, wie sich bald zeigen sollte.

In Notsituationen erwachsen einem Kräfte, von deren Existenz man keine Ahnung hatte.

Eines Tages trat bei mir ein akuter medizinischer Notfall ein. Wegen der zerstörten Brücke war es unmöglich, mich von der Fazenda mit einem Auto abzuholen und in das nächstgelegene Krankenhaus zu bringen. Also war ich gezwungen, mich drei Kilometer lang auf Krücken gestützt durch den Regenwald zu quälen, um an die Stelle zu gelangen, bis zu der geländegängige Fahrzeuge vordringen können. In solchen Notsituationen erwachsen einem Kräfte, von deren Existenz man bislang keine Ahnung gehabt hatte.

Im Krankenhaus gut versorgt, ergab sich dann die Frage: Wo bleiben wir? Die Stadt, in der unser Lebensmittelpunkt liegt, war inzwischen zu einem Hotspot der Viruserkrankung geworden. Sie fiel damit zur Rekonvaleszenz ebenso aus wie der Ort, in dem das Spital liegt. Die Kleinstadt ist in keiner Weise auf Personen vorbereitet, die dort länger verweilen müssen.

Da erinnerten wir uns an ein Hotel in der Touristenhochburg Porto Seguro, in dem wir häufig gute Zeiten verbracht hatten. Das Unternehmen hatte zwar wegen der Seuche geschlossen, die Hotelleitung machte aber in unserem Fall eine Ausnahme und ließ uns ein. In der ausgedehnten Anlage mit allem Komfort, die nur von wenigen Angestellten instand gehalten wird, sind wir momentan die einzigen Gäste. Der Chefkoch, ein Meister seines Fachs, trumpfte zur Begrüßung gleich mit einem vorzüglich zubereiteten Lachsgericht auf. Einen besseren Platz zur Erholung, in dem man sich überdies vom Rest der Welt isolieren kann, dürfte es kaum geben. So hatten zwei schlimme Ereignisse wider alle Wahrscheinlichkeit einen positiven Ausgang gefunden.