© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

EU-Binnenmarkt verhindert niedrigere Mehrwertsteuersätze
Scheinbare Großzügigkeit
Jörg Fischer

Nach sieben Jahren Rot-Grün warnte die Hartz-IV-SPD: „Merkelsteuer, das wird teuer!“ Doch nach der Bundestagswahl 2005 gab es eine Große Koalition – und die unsoziale Mehrwertsteuer stieg nicht um zwei, sondern sogar um drei Punkte auf 19 Prozent. Die versprochene Einkommensteuersenkung gab es natürlich nicht – schließlich sind beide Steuern mit je 30 Prozent die wichtigsten Quellen des Fiskus. Wegen der Corona-Krise soll dieser Wahlbetrug ab Juli rückgängig gemacht werden, der „ermäßigte“ Satz für Bücher, Nahrungsmittel und Medikamente fällt von sieben auf fünf Prozent.

Allerdings ist diese Entlastung „zur Stärkung der Binnennachfrage“ im „Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket“ der Bundesregierung bis Jahresende begrenzt. Und reichen drei Prozent „Rabatt“ aus, um die gesunkene Kauflaune kurzfristig zu beleben? Mehr war aber kaum drin, denn der EU-Binnenmarkt sieht Mindestsätze von 15 bzw. fünf Prozent vor. Schließlich ist ein Teil des Mehrwertsteueraufkommens der Mitgliedstaaten eine feste Einnahmequelle des wachsenden EU-Haushalts. Und wird die Steuersenkung überhaupt real an die Kunden weitergegeben? Bei der Preisumstellung 2002 von D-Mark auf Euro wurde dies von vielen Dienstleistern und Händlern für kräftige Preiserhöhungen genutzt. Das ist wohl insgeheim auch bezweckt: Unternehmen können so ihre Corona-geschädigte Zahlungsfähigkeit etwas verbessern. Und der zweimalige Umstellungsaufwand wird für IT-Firmen zu einem lukrativen Zusatzgeschäft.

Wenn die Regierung wirklich Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen zum Kauf animieren wollte, hätte sie nicht ihre „Innovationsprämie“ für Käufer eines teuren E-Autos auf 6.000 Euro verdoppelt, sondern von Donald Trump gelernt: Jede steuerzahlende Familie hatte dort spätestens im Mai je 1.200 Dollar für Vater und Mutter sowie 500 Dollar für jedes Kind als Scheck im Postkasten vorgefunden – ganz ohne vormundschaftliche Konsumlenkung.