© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

Zeitschriftenkritik: Krautzone
Heimat erschaffen
Werner Olles

Kann man im rechtskonservativen Spektrum über „Heimat“ kontrovers diskutieren? Man kann, wie es die aktuelle Ausgabe (Nr. 15, April/Mai) der zweimonatlich erscheinenden Zeitschrift Krautzone beweist. So schreibt Florian Müller in seinem Beitrag „Heimat gibt’s nur im Gesamtpaket“, daß echte Heimat nicht fragmentiert werden könne, weil sie eine Mischung aus allen heimatlichen Elementen (Volk, Religion, Tradition, Menschen, Sicherheit, Sprache) sei. Wenn die Familie seit Generationen aus München stamme, dort aber nur noch Kopftücher in der Innenstadt zu sehen sind, werde „dem Heimatgefühl ein herber Schlag versetzt“. Zwar werden heute in künstlich geschaffenen Gebilden verschiedene Sprachen, Völker, Traditionen zusammengepfercht, doch „der heimatlose Mensch ist gefügig, entwurzelt“, und das sei ein Witz gegen das Heimatgefühl eines Menschen, der beispielsweise seit Generationen im hintersten Bayern wohnt und nur beim Gedanken an den Umzug in den Nachbarort Bauchschmerzen bekommt.

Im Kontra-Beitrag setzt sich Hannes Plenge mit der „politischen Aufladung des Heimatbegriffs“ auseinander: „Während von rechts der identitätsstiftende Charakter und der Aspekt der Zugehörigkeit betont werden, schießen Linke gegen die ausgrenzende Funktion des Begriffs.“ Für viele Heranwachsende sei Multikulti längst Alltag. Dieser Entwertung setzte der Schriftsteller Botho Strauß mit seinem „anschwellenden Bocksgesang“ eine Vision entgegen, die blutig enden könnte: „Zwischen den Kräften des Hergebrachten und denen des ständigen Fortbringens, Abservierens und Auslöschens wird es Krieg geben.“ Das klingt wenig verheißungsvoll, doch hat Plenge recht, daß die Bezugnahme auf den Heimatbegriff bedeutungslos sei, wenn dieser nicht mit konkreten Merkmalen und Vorstellungen gefüllt werde: „Hören wir also lieber auf, immer wieder nur von Heimat zu sprechen, und beginnen wir sie zu erschaffen.“ 

Henryk M. Broder betont im Interview, daß sein Weggang nach Israel 1981 mit dem „verlogenen Antisemitismus – damals Antizionismus – meiner linken Freunde zu tun hatte. Ich hatte keine Lust mehr, mit denen zu diskutieren.“ Überhaupt könne man heute keine Satire mehr schreiben, es reiche, sich die Tagesschau anzuschauen. Broder freut sich „wenn die Polen Europa aufmischen: Vollkommen Rrreaktionär, rrrückständig, rrrückwärtsgewandte Vorstellungen.“ Wir würden im Westen das erleben, was Samuel Huntington in „Kampf der Kulturen“ vorausgesehen hat. Eine Kultur innerhalb einer Generation reformieren zu können sei „dummes Zeug, geschrieben von Gutmenschen. Was sich heute als ‘Reformislam’ präsentiert, jemand wie Lamya Kaddor, oder so was, das ist einfach erbärmlich.“ Gegen „Geschäfte auf Gegenseitigkeit“ habe er nichts: „Könnten Sie die Bergpredigt mitten in Teheran verbreiten? Könnte ich mich mit dem Talmud in Saudi-Arabien hinstellen? Solange meine Tochter nicht mit Mini-Rock in Riad herumlaufen kann, sollte hier auch niemand mit einer Burka herumrennen können.“

Kontakt: Blutdruck-Verlag, Leopoldstr. 2-8, 32051 Herford. Das Einzelheft kostet 6,90 Euro, ein Jahresabo 39,50.  www.kraut-zone.de