© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

Dorn im Auge
Christian Dorn

Nicht nur der Traum, auch die Realität überrascht mit der Latenz – etwa der unvermuteter Koinzidenz: So wird die Zusendung des vom Wirtschaftsjuristen und Euro-Kläger Markus C. Kerber erstmals ins Deutsche übertragenen Titels von Julien Freund „Europa im Niedergang?“, auf dessen Buchdeckel der „Raub der Europa“ (1910) von Valentin Alexandrowitsch Serow gedruckt ist, begleitet von dem parallel eintreffenden Reise-Newsletter von „Secret Escapes“ mit der euphemistischen Betreffzeile: „Bereits von Zeus geliebt: Europa“! 


Die Mythologie will einfach nicht aussterben. So mutiert bei den „Schuldkröten“ (Martin Sellner) die Geste des Niederkniens, eingeführt vom damaligen Football-Star, dem Quarterback Colin Kaepernick, unvermittelt zum Attribut der Märtyrer der christlichen Kirche – gemäß dem marxistischen Diktum vom Umschlag der Quantität in die Qualität. Auch am Alexanderplatz knieten jüngst mehrere Polizisten unweit der Weltzeituhr mehrere Minuten auf dem Nacken des „Messias“, der gegen die Corona-Politik protestierte. Aber das hindert die „People of Colour“ (die sie in Wirklichkeit gar nicht sind, da „Schwarz“ ebensowenig eine Farbe ist wie „Weiß“) nicht, nun ebenda gegen den vorgeblichen Rassismus zu demonstrieren. Dafür spricht eine Stimme in mir: „Black lives matter, hocherfreut / Segeln jetzt auf Hapag Floyd.“ Meine Nachbarin, die an einem Boulevardtheater in „Monsieur Claude und seine Töchter“ mitspielte, berichtet mir, der schwarze Schauspieler habe die Vorstellungen boykottiert, da er nicht mehr die Worte „Mohrenkopf“ und „Negerkuß“ akzeptieren wollte. „Blackfacing“ ist allerdings auch keine Lösung, wurde doch schon das Schloßpark-Theater vom Deutschlandfunk wegen des Stücks „Ich bin nicht Rappaport“ als „rassistisch“ gebrandmarkt. 


Diskriminierung bleibt das Gebot der Stunde. So auch bei den feiernden „Großfamilien“ in Göttingen, wegen denen jetzt alle Schulen geschlossen werden müssen, getreu dem Motto: „Zuckerfest? / Coronatest!“ Dabei vergessen wir noch immer, den Kommunisten Chinas dafür zu danken, daß wir endlich die Schattenseiten der Globalisierung erfahren dürfen. Vorsichtshalber mache ich mir jetzt schon einen Reim darauf: „I’m living in a box / – Präventionsparadox!“ Auch der Vorgeschmack auf das Großraumgefängnis läßt sich rasch auf zwei, drei Zeilen herunterbrechen: „Pandabären verlassen nie / Das Ursprungsland der Pandemie. // Im Berliner Zoo: Zwillingspaar Meng-Xiang / und -Yuan gehören Peking lebenslang.“