© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

Blick in die Medien
Und (Re)Action!
Gil Barkei

Justin reagiert auf deutsche Memes“, „Papaplatte reagiert auf lustigsten Youtuber“, „MontanaBlack reagiert auf Bibis Luxus Haus“: Deutsche Youtuber übernehmen zunehmend den seit Jahren grassierenden Reaction-Trend. Auch einer der ersten Youtube-Stars, Simon Unge, folgt der Entwicklung mit der Serie „Unge REAGIERT“ und erreicht mit seinen Videos jeweils mehrere hunderttausend Aufrufe.

Angefangen als persönliche Statements zu Film- und Fernsehaufnahmen, verkommt die einst teilweise auch gesellschaftspolitisch genutzte Form der Meinungsäußerung derart zu einer billigen Methode: Junge Videoproduzenten filmen sich dabei, wie sie auf die Clips anderer Youtuber reagieren. 

Youtube büßt viel von seinem Ruf als kreativer Spielwiese ein.

Dahinter steckt die Suche nach möglichst vielen, die Werbeeinnahmen steigernden Klicks ohne viel Aufwand: Größtenteils sitzen die Videoinfluencer lediglich an ihrem Schreibtisch und klicken sich vor der Selfiekamera durch banale Youtube-Kanäle. Letztlich oft auch nur der Versuch, sich an den Klick-Erfolg reichweitenstarker Videos ranzuhängen. Nicht selten folgt auf eine „Reaction“ eine Gegen-„Reaction“. Der Youtuber „MrBeast“ nahm diesen Abstieg in die oberflächliche Belanglosigkeit bereits mit seinem Satirevideo „Reacting To The Reaction Of The Reaction To The Reaction Of The Reaction“ aufs Korn.

Youtube büßt viel von seinem Ruf als kreativer Spielwiese ein, die den TV-Zuschauer einst vom Konsumenten zum originellen aktiven Produzenten werden ließ. Erzeugen Reaktionen in Form konstruktiver Kritik an beispielsweise Trainings-, Nachrichten- oder Geldanlagevideos einen gewissen informellen und deliberativen Mehrwert, legen viele Reaction-Clips auf die alte Fernsehzeit des Sich-berieseln-Lassens noch einen drauf. Denn gibt es etwas Stumpferes, als sich Filmchen anzusehen, wie sich andere Personen Filmchen ansehen?