© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

Gezielte Kampagnen?
Rezo-Video: „Konservative“ Medien sehen sich heftiger Kritik ausgesetzt
Ronald Berthold

Zoff im Medien-Mainstream: Ein neues Video des Youtubers Rezo wird von der einen Seite gefeiert, auf der anderen sorgt es für Verärgerung. Der 27jährige hatte zunächst mit seinem Film „Die Zerstörung der CDU“ auf sich aufmerksam gemacht. Seitdem gilt er in der Branche als Star. Erst kürzlich erhielt er dafür den vom Stern geförderten, renommierten Nannen-Preis für Journalisten.

Sein aktuelles Video heißt „Zerstörung der Presse“. Der Titel ist irreführend, weil Rezo darin die meisten Medien als seriös adelt – außer die Springer-Blätter Bild und Welt sowie die FAZ. Diese Zeitungen fuhren vor Jahren noch eine bürgerlich-konservative Linie. Heute kommen solche Stimmen dort nur noch vereinzelt vor. Offenbar Grund genug, sie zu „zerstören“.

Tatsächlich hören sich weite Teile des Videos so an, als sei Rezo als Influencer von der Bundesregierung oder dem Journalistenverband engagiert. Der Verdacht liegt nicht ganz fern, denn der Mann mit den blaugefärbten Haaren wird unter anderem vom Coca-Cola-Konzern für Produktplazierung bezahlt. Rezo kann man buchen. Der öffentlich-rechtliche RBB lobt das Stück dann auch als „Medienkompetenz, wie sie in dieser Zeit mehr denn je not tut“. Bei der Welt dagegen ist man entsetzt und unterstellt dem Youtuber „Narzißmus“.

Worum geht es? Zunächst beteuert Rezo seine Regierungstreue. Daß Corona „nicht schlimm“ sei, Angela Merkel Grundrechte abgeschafft habe, daß es eine Impflicht geben solle und daß dies der Pharmaindustrie nutze, das sei alles „absoluter Bullshit“. 

Dann kommt er zum Punkt: Rezo, der nach eigenen Angaben schon als Jugendlicher in psychologischer Behandlung war, beklagt das „Mißtrauen“, das auch sein eigenes Umfeld gegen „seriöse Medien“ habe. Viele „Kollegen“ beantworteten Interviewanfragen von Zeitungen gar nicht mehr, weil sie Angst hätten, daß ihre Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen würden. Das liege daran, daß „manche Gruppen aktiv gegen Journalistinnen und Journalisten hetzen“. Begriffe wie „Öffentlich-Rechtliche sind Systempresse“ oder „Lügenpresse“ seien ein „Scheiß“.

Dann bringt Rezo plötzlich den Attentäter aus dem neuseeländischen Christchurch, der 51 Menschen ermordete, mit der AfD in Zusammenhang. Kurz gesagt: „Die Zerstörung der Presse“ ist ein Lobgesang auf jene Journalisten, die Angela Merkel stützen. Rezos Video richtet sich einzig gegen jene, die ein wenig von der Regierungslinie abweichen. Seine Worte hätten auch als Dankesrede für den Nannenpreis getaugt.

Anzeigenkunden reagieren

In der Branche wird das Video wohlwollend aufgenommen, denn es geht gegen Springer – ein Reflex, der seit mehr als 50 Jahren tief verankert ist. Bild und Welt fehle es an „moralischer Integrität“, sagt Rezo, dem die Zeit seit einem Dreivierteljahr eine Kolumne zur Verfügung stellt. Die FAZ geriet ins Fadenkreuz, weil sie Rezo vorhielt, Wahlwerbung zu betreiben. Der konterte mit dem Vorwurf: „rechte Verschwörungstheorie“.

Hintergrund des von Rezo ausgelösten Streits unter den Mainstream-Medien ist auch die Auseinandersetzung um Christian Drosten. „Merkels Leibvirologe“ (Welt) sah sich kritischer Berichterstattung der Bild über seine umstrittene Studie zur Infektiosität von Kindern ausgesetzt: Die Boulevardzeitung zweifelte eine Vorstudie Drostens an, laut der Kinder Covid-19 genauso verbreiten könnten wie Erwachsene.

Das brachte Chefredakteur Julian Reichelt, der gegenüber dem Spiegel von einer „üblen Kampagne“ gegen sein Blatt sprach, nicht nur einen Shitstorm und massive Kollegenschelte, sondern auch einen Anzeigenboykott ein.

Die AOK bezeichnete die Kritik an Drosten als „Schande“ und kündigte an, Bild von Werbeaufträgen auszuschließen. Durch seine Nähe zur Bundeskanzlerin gilt der Virologe in den Medien als unangreifbar. Während Schweizer Medien schon wochenlang über dessen fehlerhafte Arbeit berichteten, galt das Thema für deutsche Journalisten als tabu. Wer es doch anpackt – so die nun eindeutige Botschaft –, muß nicht nur mit heftigen Vorwürfen, sondern auch mit finanziellen Konsequenzen leben.

Trotz des vielen Lobes, das die mit gleicher Tendenz gemachte „Zerstörung 

der Presse“ nun eben in jener erfährt, sind die Vorwürfe gegen Springer und die FAZ dünn. Denn es geht dem Mann mit der unbekannten Identität vor allem um sich selbst. Weil er in anderen Dingen wie Klimaschutz „nicht so der derbste Experte“ sei, habe er sich bei seinem „Faktencheck“ ein Thema „rausgepickt“, bei dem er „so tief drin“ sei, daß ihm „Fehler sofort auffallen“. Rezo: „Und das Thema, in dem ich am meisten drin bin, bin natürlich ich selbst.“ 

Auch Reichelt ging in den Gegenangriff über. An Rezo gerichtet, twitterte er: „Hör auf mit Deiner Selbstgerechtigkeit und dieser Rhetorik von ‘Zerstörung’.“ Trotzdem sendete er auch ein versöhnliches Zeichen und lud den Youtuber zum Redaktionsbesuch ein. Bisher hat Rezo das Gesprächsangebot ignoriert. 

Dafür nahm sich Springers Vorstands-chef Mathias Döpfner den eigenen Kollegen im Springer-Podcast „Inside.Pod“ zur Brust, worauf Reichelt zugab, daß sich Bild in der Auseinandersetzung mit Drosten „angreifbar“ gemacht habe.