© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

Kontinuitäten am Schreibtisch
Eine verwaltungshistorische Vergleichsstudie
Dirk Glaser

Ab Juli 2020 wird Frieder Günther am Institut für Zeitgeschichte mit seinem Forschungsprojekt „Verwaltungskulturen“ eine Untersuchung über die zentralstaatlichen Innenministerien in der Weimarer Republik, im Dritten Reich, in der frühen Bundesrepublik und in der DDR beginnen. Man darf gespannt sein, ob die Ergebnisse dieses Unternehmens wesentlich über das hinausgehen, was Günther, der seit bald zwanzig Jahren über die jüngere deutsche Verwaltungsgeschichte arbeitet, soeben in seinem Aufsatz „Verfassung vergeht, Verwaltung besteht?“ als vorläufigen Ertrag seiner Recherchen zum Thema präsentiert (Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 2/2020).

Und schon diese Studie schließt mit einem überraschungsfreien Fazit: „In allen vier analysierten Innenministerien standen die Ordnungsstiftung und die Ordnungsgestaltung im Vordergrund.“ Klingt wie die Erkenntnis, daß für die Volksgesundheit die Ärzte zuständig sind. Aber auch im Detail bietet Günther kaum Neues. Die große personelle Kontinuität zwischen dem nahezu bruchlos die Tradition der kaiserzeitlichen Verwaltung fortsetzenden Weimarer Reichsministerium des Innern (RMdI) und dem Bundesinnenministerium ist hinreichend bekannt. Ebenso der Umstand, daß 1933, bei gleichzeitiger Liquidierung liberaler Rechtsstaatlichkeit, lediglich bei Schlüsselpositionen und einigen höheren Beamtenstellen eine schärfere „Säuberung“ stattfand. Den Ebenen darunter blieb eine Zäsur erspart. Die Entlassung einer Putzfrau aus „rassenbiologischen Gründen“ nimmt sich in diesem Rahmen fast spektakulär aus.

Ebenso bekannt ist die dazu konträre Entwicklung in der DDR. In Abgrenzung zum Westen, wo der Adenauer-Staat dem Gros der Beamten des RMdI eine „zweite Chance“ gab, nahm das SED-Regime beim Neuaufbau seiner Innenverwaltung Abschied vom Prinzip der Fachqualifikation und orientierte seine Personalauswahl rigoros am Maßstab politischer Zuverlässigkeit. Frühere Aktivitäten in der KPD, Bewährung im „antifaschistischen Widerstand“ oder „sowjetische Exilerfahrung“ galten mehr als Sachkompetenz. So habe das Ministerium des Innern der DDR zwar gezeigt, daß es nach einem politischen Systembruch möglich war, eine Ministerialbürokratie ohne Rückgriff auf Altpersonal zu schaffen, doch nur „auf Kosten der Arbeitseffizienz“. Vergleiche mit der heutigen bundesdeutschen Praxis „positiver Diskriminierung“ drängen sich auf.