© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/20 / 19. Juni 2020

Aufgeschnappt
Rüben in Möhringen
Martina Meckelein

Die junge Dame hat dicke rote Lippen, krause Haare, trägt Kreolen und ist rabenschwarz. Seit dem 19. Jahrhundert ziert sie das Wappen Möhringens, heute ein Stadtteil Stuttgarts. Doch jüngst witterten einige Eiferer Rassismus. Sie starteten flugs eine Online-Petition: Die Frau soll verschwinden – sofort! „Die Bezeichnung ‘Mohr’ und die groteske Skizzierung des „Mohrenkopfs“ (oftmals als Diener abgebildet) stammt aus der deutschen Kolonialzeit und hat eine klare rassistische Konnotation“, heißt es in der Petition. Bis Dienstag unterschrieben über 6.600 Personen. Dabei hat die Mohrin im Wappen gar nichts mit Rassismus zu tun. Sie landete dort im 19. Jahrhundert, weil man, um sich den Namen zu erklären, glaubte, daß Mohren vor Urzeiten dort gelebt hätten. Es war allerdings eine alemannische Sippe, deren Gründer den Namen Moro trug. Was man als dunkle Menschen deutete. Statt sich zu freuen, daß eine Mohrin als Gründerin Möhringens es ins Ortswappen geschafft hat, schlägt der Petent vor, die Dame durch das Bild einer Möhre zu ersetzen. Lassen wir außer acht, daß Möhringen nicht der Nabel des württembergischen Wurzelgemüse-Anbaus ist, können wir allerdings nicht darüber hinwegsehen, daß Schwaben Karotten mitnichten Möhren, sondern gelbe Rüben nennen.