© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/20 / 19. Juni 2020

Kein schöner Land in dieser Corona-Zeit
Mikroabenteuer bei uns zu Hause: Ob Wandern, Kanutour, Übernachten im Freien, Pilgern, Exerzitien im Renaissanceschloß oder Stadtbesichtigung mit Nachtwächter – Heimaturlaub zwischen Rhein und Rennsteig ist so spießig, daß es schon wieder geil ist!
Hermann Rössler / Christian Rudolf / Zita Tipold

Chillen an der Côte d’Asee

Von wegen Saint-Tropez: Cooles Strandleben gibt’s eine Stunde von Berlin weg. In Ferch am Schwielowsee (mit Öffentlichen von Berlin Hbf) das reetgedeckte Museum der einstigen Havelländischen Malerkolonie besichtigen, dann, wenn die Kinder quengeln, kräftige Stärkung bei Bockwurst, Eis und Limo im rustikal-herzlichen Freiluftimbiß „Kapitänsclub Ferch“ direkt am Ufer des Schwielowsees zu unschlagbaren Ostpreisen. Hinauf auf den Wietkiekenberg gewandert und hoch vom Aussichtsturm die atemberaubende Sicht über die Potsdamer Wald- und Seenlandschaft genießen. Wieder runter zum Strandbad Ferch (bis auf weiteres nur mit Registrierung, höchstens 100 Personen), Schwimmen, Handball spielen und in den Abend chillen. Das Mittelmeer vermißt du nicht.

www.strandbadferch.de





Geocaching

Mühen Sie sich nicht mit ätzender Parkplatzsuche ab – Ihr Abenteuer wartet nicht zwischen Touri-Scharen, sondern gleich um die Ecke auf Sie: Auf zur GPS-Schatzsuche! Mittels Koordinaten können in ganz Deutschland Verstecke ausfindig gemacht werden, in denen kleine Überraschungen buchstäblich unter Stock und Stein darauf warten, gefunden zu werden. Die Smartphone-Navigation ist die Schatzkarte. Wo sich der nächste Cache in Ihrer Umgebung befindet, können Sie mit der dazugehörigen App ermitteln. Ob mit dem Rad oder zu Fuß, die moderne Schnitzeljagd bietet der ganzen Familie Entdeckerspaß an der frischen Luft.

www.geocaching.com





Am deutschen Rhein

Dorfsiedlungen am ungebändigten, blaugrünen Wasser, bewaldete Hügelketten, guter Wein, passabler Fisch. Sie denken an die ligurische Küste? All das können Sie aber auch an der rheinischen Riviera haben: Sommer, Sonne, Vaterland. Burgen aus dem 12. und 14. Jahrhundert wachen über dem Rheintal. Burg Stolzenfels, Ruine Ehrenfels, Burg Stahleck, Burg Katz und Burg Maus. Der Rhein drängt gen Norden. Oberhalb von Rüdesheim bewacht im Niederwalddenkmal Germania den großen Fluß, die Augen stramm gen Westen gerichtet. Im „Lindenwirt“ kann der Reisende im Weinfaß übernachten und nicht nur Rebensaft von einem der steilen Berghänge der Gegend, sondern auch die Spießer-Spezialität Rüdesheimer Kaffee genießen. Von St. Goar aus blickt man auf den Loreley-Felsen, unter ihm schwimmen ruhig die Transportschiffe. Die Dörfer im Rheintal sind auf beiden Seiten mit der Bahn zu erreichen.

www.niederwalddenkmal.de





Rund um den Rennsteig

Körperkult im Urlaub? Lassen Sie Fitneßstudio und Schönheitswahn hinter sich. Der Thüringer Rennsteig läßt sich auch entspannt entdecken. „Den Beutel auf dem Rücken, die Klampfe in der Hand.“ Im grünen Herzen Deutschlands erstreckt sich lang wie der Bart des Kaisers Barbarossa der Rennsteig von der Wartburg in Eisenach bis zur Schloßruine Blankenberg in Blankenstein. Der im Rennsteiglied besungene „lust’ge Wandersmann“ folgt dem auf Schildern aufgetragenen weißen R auf dem Kamm von dichten Fichtenbergwäldern entlang den Höhen. Zwischen Erfurt und Gotha liegen sich die Mühlburg, die Wachsenburg und die Burg Gleichen gegenüber. Im Norden Thüringens aber wartet der Kaiser, bis sein Bart zum dritten Male um den Tisch herumreicht.

  www.rennsteig.de





Exerzitien in Haus Assen

Last-Minute geht auch im Lipperland: In Westfalen finden sich zwischen öden Feldern und Bauernhöfen die Wasserschlösser Hovestadt, Overhagen und Haus Assen. Wer Haus Assen besichtigen will, muß eine lange Straße abseits von Lippborg einen Wald hineingehen. An einer Seite grüßt der Heilige Josef aus einer Kapelle. Einige hundert Meter weiter rammt der Erzengel Michael sein Schwert in den Schlund einer Schlange. In dem unscheinbaren Waldstück versteckt sich das Schloß Haus Assen. Vormals im Besitz der Familie von Galen, aus der auch der berühmte Kardinal, der „Löwe von Münster“, stammte, betreibt dort heute der Orden der Diener Jesu und Mariens (SJM) ein geistliches Zentrum. Exerzitien, Familienwochenenden oder einfache Schloßführungen sind jederzeit möglich. Das Gebiet um die Lippe herum lohnt, entdeckt zu werden.

   www.haus-assen.de





Pilgern zum Santiago Nordeuropas 

Ich bin dann mal nah weit weg: Auf dem wiederentdeckten mittelalterlichen Pilgerweg von Berlin nach Bad Wilsnack durchs Brandenburger Outback, zur Wunderblutkirche St. Nikolai. Ihre gewaltige Dimension zeugt von der einstigen Bedeutung als Wallfahrtskirche.  Mit Rucksack und Schlafsack beginnt man an der Marienkirche im Zentrum Berlins, läßt den Häuser­dschungel zurück und kann auf bald einsam werdenden Feld- und Waldwegen in der herb-schönen und industriefreien Landschaft Brandenburgs das Herz weiten. Die 140 Kilometer Wegstrecke führen durch märkische Städtchen und Dörfer wie Fehrbellin oder Barenthin. In Barsikow und Kyritz übernachten Pilger im Kirchturm. Herbergseltern, Pfarrer und Schlüsselwarte für die Kirchen listet ein Faltblatt auf, das unterwegs überaus nützlich ist. Wer dann noch weiter will, kann von Wilsnack nach Tangermünde laufen, wo der Pilgerweg in das Netz der deutschen Jakobswege mündet.

  www.wegenachwilsnack.de





Teufel auch: der Harz!

Von Thale am Bodetal im Ostharz geht’s los, den Wanderweg unterhalb der Roßtrappe entlang über die Orte Benneckenrode hoch in den Wald bis zur ersten Station: der Teufelsmauer. Die bizarre Sandsteinfelsengruppe erstreckt sich oberhalb Timmenrode. Bei den drei Zinnen auf einem Felsplateau ist es definitiv berauschend schön ­– mit etwas Phantasie gemahnen die Zacken an das Wappen von Hamburg –,­ der Aussicht wegen und der „Teufelslöcher“: Die Felsenhöhlen bieten ein mehr als uriges Nachtlager, garantiert steinhart und komfortfrei! Über den Kammweg weiterlaufen durch das Städtchen Blankenburg mit seinem Schloßgarten. Nach etwa 17 Kilometern Gesamtstrecke kann man abgelegen in der säkularisierten Klosteranlage Michaelstein nächtigen. Der Herbergsbetrieb öffnet wieder am 1. Juli. Wen es weiter in den felsigen Oberharz zieht, hat von dort den idealen Ausganspunkt.

   www.blankenburg.de





Kanutour durch die Müritz-Elde-Wasserstraße

Kajaken auf der Loire? Nee – Paddeln durch Lübz! Plau am See gibt den perfekten Startpunkt für eine sechstägige Kanufahrt von der Mecklenburgischen Seenplatte bis zur Elbmündung bei Dömitz. Kanus gibt es in Plau zu leihen, mit Rückholdienst ganz ohne Auswärtiges Amt! Der Müritz-Elde-Kanal hat kaum Strömung und führt durch stille Wälder und Wiesen; es geht durch die Fischteiche in der Lewitz und durch kerndeutsche alte Städtchen wie Parchim oder Lübz (nicht vergessen, ein Lübzer Pils zu probieren!). 17 Schleusen regeln das Gefälle von 49 Metern, 14 Wasserwanderrastplätze auf einer Strecke von 120 Kilometern machen langwierige Vorausplanung überflüssig.

   www.flussinfo.net





Leipzig bei Nacht

Zeitmaschine statt Flugzeug – reisen Sie ins Leipzig des Mittelalters! Vergessen Sie alles, was Sie über die Stadt wissen, und lernen Sie „Lipsia“ (lateinisch für Leipzig) bei Nacht kennen. Sobald die Dunkelheit einbricht, führt Nachtwächter Bremme seine Gäste bei Laternenlicht durch geheimnisvolle Gassen zu den schönsten Stellen der Stadt. Im historischen Gewand erzählt er vom mittelalterlichen Treiben in der Stadt wie den Zünften und Gewerben. Bremme verrät zudem pikante Anekdoten über Johann Wolfgang von Goethe, der zu Studienzeiten in Leipzig wohnte. In Auerbachs Keller kippte er so manchen Tropfen und ließ das Gasthaus später zum Schauplatz seines „Faust“ werden.

  www.treffpunktleipzig.de