© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/20 / 19. Juni 2020

Ein Planet allein genügt ihm nicht
Unternehmer Elon Musk: Wie ein gemobbter Junge aus Südafrika sich zum Helden der Techszene macht
Mathias Pellack

Was haben Isaac Newton, Albert Einstein, Winston Churchill, Stephen Hawking und Elon Musk gemein? Sie haben es geschafft in die höchst exklusive und seit 1660 bestehende Liste der etwa 8.000 Mitglieder der Fellows of the Royal Society aufgenommen zu werden. Die britische Zeitung The Guardian verglich die Auszeichnung mit dem Oscar für das Lebenswerk.

Elon Musk, geboren 1971, ist damit einer von 1.707 lebenden Menschen, die in den Augen der britischen königlichen Gesellschaft einen „großen Beitrag zur Verbesserung des Wissens über die Natur“ erbracht haben. Doch was hat er wirklich schon geleistet?

Er ist ein „Ingenieur, ein Industriedesigner, ein Technologieunternehmer und ein Philanthrop“, faßt Wikipedia zusammen. Doch behaupten kann man vieles über den Sohn eines blitzlichtverwöhnten kanadischen Models und eines südafrikanischen Elektroingenieurs.

Seine blendend ausgeleuchtete Lebensgeschichte läßt uns wissen, daß er – der älteste Sproß – nach der Trennung der Eltern wieder zum Vater nach Pretoria zieht, die Sicherheit der Mutter verläßt und bereit ist zu scheitern. Es ist das Jahr 1982, Elon ist da elf. Die Apartheid regiert in der südafrikanischen Hauptstadt. Und so wird er nicht Opfer schwarzer, sondern weißer Jugendbanden, die ihn gar so heftig mißhandeln, daß er für zwei Wochen ins Krankenhaus eingeliefert wird. Sein Vater meint später laut News24.com: „Südafrika wird als Land mit einer Sportlerkultur angesehen. Es mag intellektuelle Menschen hervorbringen, aber es ist keine intellektuelle Kultur.“

Der Verkauf einer Idee verschaffte ihm Startkapital

Musk wird sich vom Vater distanzieren. Der Kontakt zu seinen Eltern sei ohnehin nicht stark gewesen, sagt er heute. Dem Rolling Stone erzählt er, die Haushälterin hatte immer aufpassen sollen, daß er nichts kaputtmacht. Erzogen worden sei er vor allem von Büchern. Der Gründer des Raumfahrtunternehmens Space X nennt immer wieder den russisch-amerikanischen Biochemiker und Science-fiction-Schriftsteller Isaac Asimov und zitiert ihn bei Gelegenheit: „Man sollte versuchen, jene Handlungsmöglichkeiten zu wählen, die die Zivilisation verlängern, die Wahrscheinlichkeit eines neuen dunklen Mittelalters verringern und gleichzeitig die Länge dieser dunklen Zeit verkürzen, falls sie eintritt.“ Bescheidenheit ist nicht sein Ding. Musks Twitter-Account hat einen begrünten Planeten als Hintergrund – den Mars. Schließlich empfiehlt Asimov, Kolonien auf anderen Planten zu gründen. Musk hofft, dort eines Tages begraben zu werden.

Eine Hausnummer in der stets aufstrebenden und schnellebigen Elite des Technologie-Epizentrums Kalifornien verschaffte ihm einst seinen Anteil bei einem kleinen Unternehmen namens Zip2, das er 1995 mit seinem Bruder Kimbal gründete. Vier Jahre später – denn so läuft es im Silicon Valley – verkauften sie die Firma für fast 350 Millionen Dollar einem größeren Fisch im Tech-Teich: Compaq, dem damals führenden Hersteller von PCs. Was aus Zip2 geworden ist, läßt sich schwer sagen: Böse Zungen meinen, außer einer guten Idee für ein Dotcom-Produkt – die gleichnamige Blase platzte im Jahr 2000 –, sei an dem Unternehmen nichts dran gewesen. Das Geld, das die beiden mit dem Verkauf machten, hat den Appetit der Südafrikaner aber nur angeregt. Kimbal führte bis 2019 die Chipotle-Fastfoodkette und gründete zugleich die „grüne“ Kitchen-Community.

Und Elon macht aus diesem Startkapital laut Forbes bis heute satte 40 Milliarden US-Dollar, was ihm Platz 31 in der Weltrangliste der Superreichen einbringt. Ein Erfolg, der bleibt, heißt Paypal. Mit dem Verkauf seiner Anteile als Co-Gründer des Bezahlsoftware-Vorgängers X.com wanderten 2002 weitere 165 Millionen Dollar in seine Tasche.

Ein Jahr davor nahm der Junge in ihm wieder die Sterne in den Blick: SpaceX wird gegründet – dessen Rakete am 30. Mai 2020 mit Astronauten an Bord zur ISS flog: Der erste privat finanzierte Orbiteintritt eines Menschen. 

Unternehmensgründungen am laufenden Band

Musk ist dabei weit mehr als nur Geldgeber und Ideenhaber. Die Mitarbeiter seines elektrifizierten Goldesels Tesla berichten, wie er mit harter Hand von sich und allen im Betrieb stets viel verlangt – und manchmal auch noch mehr. Als die Produktion 2015 den Zielen weit hinterherhinkt und die Geldgeber skeptisch werden, sagt er den Angestellten: „Eure Familie könnt ihr sehen, wenn die Firma pleite ist.“ Er selbst versucht sieben Tage die Woche zu arbeiten.

Doch sein Tech-Imperium steht auf wackligen Füßen. Immer wieder muß er alle seine Firmen mit frischem Kapital unterfüttern. Allein der Verkauf der Produkte spielt in keinem seiner Unternehmen die Kosten ein. Und das sind, neben Raumfähren und Elektroautos, nicht wenige. So gründete er auch SolarCity, einen Hersteller von Solaranlagen und Energiespeichern, der allerdings 2016 durch Tesla übernommen wurde. Hyperloop (2014) soll die Personenbeförderung der Zukunft sein – eine Art gigantische Rohrpost für Menschen. OpenAi (2015) erforscht künstliche Intelligenz. Neuralink (2016) entwickelt Schnittstellen zwischen Hirn und Computer und schließlich The Boring Company (2018) – ein Tunnelbauunternehmen für den unterirdischen ÖPNV künftiger Megacitys.

Wer meint, Elon Musk gründe aus Langweile Unternehmen, hat damit vielleicht nicht ganz unrecht. Doch alle diese Firmen haben ein verbindendes Element. Sie schwimmen auf der Welle des grünen Zeitgeistes. Ja, mehr noch verkörpern sie die Idee, daß technologischer Fortschritt die Menschheit vor einer „Klimakatastrophe“ retten könnte. Und falls nicht retten – dann geht’s eben zum Mars, wie Asimov vorausdachte.

Ob Musk Teil der Welle ist oder sie reitet, wird derweil immer unklarer. Im Zuge der angesagten Bilderstürmerei in den USA nach George Floyds Tod durch einen Polizisten twitterte Musk: „Cancel Cancel Culture!“ (Hört auf mit öffentlichen Boykott-Aufrufen). Denn zig Posten mußten schon wieder geräumt werden, weil empörte Aktivisten nicht genügend Distanzierung und Trauer in den Äußerungen zum Tod des Afroamerikaners entdecken konnten, wie im Beispiel des Fitneßunternehmers Greg Glassman (CrossFit). Der hatte gemeint: „Wir trauern nicht um George Floyd – ich denke, weder ich noch irgendeiner meiner Mitarbeiter tut es.“ Ein medialer Aufschrei ließ ihn zurücktreten.

Musk, der die Welt in Geschichten und Experimenten erforscht hat, forderte einst seine Follower auf, „die rote Pille“ zu nehmen. Eine Chiffre aus dem Film „Matrix“, die die Entscheidung zur Suche nach Selbsterkenntnis und Wahrheit meint. Zumindest insofern reiht er sich in die Liste mit Newton und Einstein.





Tesla in Grünheide bei Berlin

Musk habe sich bei der Standortwahl, so vermutet das Handelsblatt, für den Ort bei Berlin entschieden, weil ihm die „Metropole ein Begriff gewesen sei“. Selbst grüne Autofeinde jubeln nun. Bedenken wegen der Abholzung wurden schnell beiseite gewischt; die umweltschädliche Akkuproduktion andernorts stört auch Luisa Neubauer nicht. Von einem „vorgezogenen Weihnachtsfest“ schwärmt Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB). Die Berliner Wirtschaftsverwaltung rechnet mit 6.000 bis 7.000 neuen Arbeitsplätzen und spekuliert über weitere Firmenansiedlungen. Aber woher kommt das Geld? Brandenburg habe wahrscheinlich „weit über 100 Millionen“ für den Bau zugesagt, sagt der Vorstandschef der zuständigen Investitionsbank des Landes Brandenburg, Tillmann Stenger. An der Ausbildung von Mitarbeitern beteilige sich das Land auch mit bis zu 50 Prozent der Kosten. Weitere Subventionen werden wahrscheinlich aus einem 3,2 Milliarden Euro schweren EU-Topf (IPCEI) für Batteriezellenfertigung und Entwicklung fließen.