© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/20 / 19. Juni 2020

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Aus der Feststellung, daß der Teufel höflich ist, sollte man nicht folgern, daß Gott etwas für schlechte Manieren übrig hat.

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Rassenfrage A: In einem Interview hat sich die Grünen-Politikerin Aminata Touré, Vizepräsidentin des Landtags Schleswig-Holstein, als „Expertin“ zum Thema „Rassismus“ geäußert. So weit, so erwartbar. Interessant ist allerdings ihr Lavieren zwischen der Behauptung, es gebe eine natürliche Solidarität aller „schwarzen Menschen weltweit“ nach dem Tod von George Floyd, und der Behauptung, die beruhe nicht auf einem „biologischen Faktor“, sondern auf bestimmten Erfahrungen mit dem „strukturellen Rassismus“ der bis dato weißen „Mehrheitsgesellschaften“. Aminata Tourés Aussage – „Wenn wir uns auf der Straße zunicken oder uns Geschwister nennen, zeigen wir uns, daß wir einen gemeinsamen Kampf führen und eine gemeinsame Geschichte teilen“ – macht aber deutlich, daß dieser Panafrikanismus eben doch von einem „biologischen Faktor“ ausgeht – der Erkennbarkeit aufgrund der Hautfarbe – und eine Solidaritätsforderung erhebt, die sich an diejenigen richtet, die so aussehen und also so sind wie sie. Selbstverständlich würde Aminata Touré ein derartiges Verhalten, wenn von anderen an den Tag gelegt, sofort als „rassistisch“ bezeichnen. Worauf aber niemand hinzuweisen wagt, so wenig wie darauf, daß das von ihr proklamierte Ziel, den Rassismus zu „entlernen“, nicht einfach moralisch richtig, sondern vor allem politisch nützlich ist: Mehr Geld und mehr Einfluß und mehr Posten für die Klientel von Aminata Touré.

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Rassenfrage B: „Aber die bloße Proklamation der natürlichen Gleichheit aller Menschen und der Brüderlichkeit, die sie ohne Ansehen der Rasse oder der Kultur vereinigen sollte, ist intellektuell enttäuschend, weil sie die faktische Verschiedenheit übergeht, die sich der Beobachtung aufzwingt und von der man nicht einfach behaupten kann, daß sie das Problem im Kern nicht berühre, so daß man sie theoretisch und praktisch als nicht vorhanden ansehen könne.“ (Claude Lévi-Strauss)

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Gelegentlich überrascht auch die Uno. Trotz ihrer ausgesprochenen Begeisterung für jede Art Migration hat sie nun eine Studie (The Scaling Fences: Voices of Irregular African Migrants to Europe) veröffentlicht, die das übliche Bild von Menschen mit Fluchterfahrung drastisch korrigiert. Befragt wurden 3.000 illegale Einwanderer aus 43 Ländern, die sich in 13 Ländern der EU – bevorzugt Spanien und Italien – aufhalten. Knapp die Hälfte gab an, zu Hause einem Beruf nachgegangen zu sein. 12 Prozent erklärten, daß sie in der Heimat eine überdurchschnittliche Qualifikation und eine überdurchschnittliche Bezahlung erhalten hätten. Als Motive für die Einwanderung nach Europa nannten 60 Prozent, sie wollten arbeiten, um Geld nach Hause schicken zu können, 18 Prozent wollten zu ihrer schon in Europa befindlichen Familie oder zu Freunden, 8 Prozent erhofften sich eine bessere Ausbildung. Niemand erklärte, er komme, um Gewalt oder Verfolgung oder Hunger zu entgehen. Der UN-Bericht weist darauf hin, daß das Kalkül der Migranten trotz der hohen Risiken des Transfers insofern aufgehe, als die überwiesenen Geldsummen etwa der Höhe dessen entsprächen, was eine Generation in vierzig Arbeitsjahren vor Ort erwirtschafte. Anna Bono, Professorin für afrikanische Geschichte an der Universität Turin, hat die Schlußfolgerung aus dem Bericht – sicher entgegen der Absicht der Verfasser – auf die Feststellung gebracht: „Die Ergebnisse (…) sind klar. Sie bestätigen, daß Hunderttausende Afrikaner illegal nach Europa gekommen sind, und um nicht ausgewiesen zu werden, haben sie gelogen und behauptet, Flüchtlinge zu sein, die vor Kriegen und Verfolgungen flohen.“ Es kämen eben nicht die Ärmsten der Armen, wie die Linke behaupte, vielmehr gehe Afrika seine schon urbanisierte, besser ausgebildete Mittelschicht verloren.

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Nekrolog: Am 8. Juni verstarb im Alter von 79 Jahren der Theologe Klaus Berger. Man scheut sich, das Attribut „evangelisch“ oder „katholisch“ hinzuzusetzen. Denn, wenn etwas die breitere öffentliche Aufmerksamkeit in bezug auf Bergers Person geweckt hat, dann die seltsame Tatsache, daß er, katholisch getauft, nach einem Studium der katholischen Theologie wegen des Vorwurfs der Häresie daran gehindert, Priester zu werden, von 1974 bis zu seiner Emeritierung 2006 an der evangelischen Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg lehrte, evangelische Kirchensteuer bezahlte, aber nach eigenem Bekunden niemals aus der katholischen Kirche ausgeschieden war. Um dem Wirrwarr ein Ende zu bereiten, trat er schließlich förmlich wieder in die katholische Kirche ein. Was auch immer hinter diesem mysteriösen Ablauf stand, er illustrierte doch, daß es Berger um eine „evangelische Katholizität“ (Friedrich Heiler) ging, die wahrscheinlich zu den wenigen Optionen gehört, die der abendländischen Christenheit bleiben.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 3. Juli in der JF-Ausgabe 28/20.