© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/20 / 19. Juni 2020

Keine Vorteile durch Geburt
Vor 100 Jahren: Aufhebung der Adelsprivilegien
Christian Vollradt

Adel leitet sich von adal, althochdeutsch für Geschlecht oder auch Stammfolge ab. Verwandt ist es mit dem noch aus germanischer Zeit stammenden uodal, das für ererbten Boden, im weiteren Sinne für Heimat steht. Andere europäische Sprachen leiten ihren Begriff für Adel vom lateinischen nobiles ab, das wiederum von noscere, zu deutsch: kenntlich machen, stammt. An diesen zwei Merkmalen des Adels – Herkunft und Erkennbarkeit – änderte auch die Weimarer Reichsverfassung nichts, die in Artikel 109 festlegte, daß alle Deutschen vor dem Gesetz gleich sind: „Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben. Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.“

Die Umsetzung dessen war Sache der Länder. Vor hundert Jahren, am 23. Juni 1920, geschah dies in Preußen, dem größten Teilstaat des Deutschen Reiches, mit dem „Gesetz über die Aufhebung der Standesvorrechte des Adels und die Auflösung der Hausvermögen“. Mit ihm tilgte die verfassungsgebende Landesversammlung, was lange galt. Fast 80 Verordnungen und Erlasse wurden aufgehoben, darunter nicht nur die „Verordnung über die autonomische Sukzessionsbefugnis der Rheinischen Ritterschaft“ von 1837 oder die Kabinettsorder über die Beilegung des Prädikats „Hoheit“ an die Fürsten von Hohenzollern aus dem Jahr 1850, sondern auch Teile des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten von 1794.

Im 19. Jahrhundert lebten in Preußen etwa 20.000 adlige Familien. Manches Privileg hatten sie schon früher eingebüßt, etwa die alleinige Berechtigung, ein Rittergut zu besitzen oder die Offizierslaufbahn einzuschlagen. Mit dem Verlust seiner rechtlichen Stellung kehrte der Adel sozusagen ein Stück zu seinen Wurzeln zurück: Indem er, etwa über den Rechtsausschuß der Adelsverbände, selbst klärte, wer dazugehörte und wer nicht. Den Adel als Stand aufzuheben hatte bereits das Paulskirchen-Parlament am 6. Dezember 1848 beschlossen. Mit einer hauchdünnen Mehrheit von acht Stimmen. Allerdings war man sich seinerzeit in Frankfurt links wie rechts relativ einig, daß eine so lange bestehende Institution ihre gesetzliche Aufhebung überdauern werde. 

Die Skepsis war begründet. Noch 2004 mußte sich das Bundesverfassungsgericht mit der Erbfolge des früheren Kronprinzen Wilhelm von Preußen befassen und klären, ob die Ebenbürtigkeitsklausel im Hausgesetz der Hohenzollern das Grundrecht auf Eheschließungsfreiheit beeinträchtigt.