© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/20 / 19. Juni 2020

Nasses Ernten
Gärtner sollen zum Klimaschutz auf Torf verzichten / Forscher suchen nach profitablen Methoden zur Moor-Rekultivierung
Christoph Keller

Die Bundesregierung zielt mit ihrem „Klimaschutzprogramm 2030“ auf die totale Erfassung aller Lebensbereiche. Da bleiben auch Gärtner nicht verschont. Stammen derzeit doch jährlich drei Millionen Kubikmeter Weißtorf, der in der Gartenbauwirtschaft als idealer Boden für die Anzucht von Gemüse und Zierpflanzen dient, aus dafür trockengelegten Mooren. Da Torf, der mit Sauerstoff in Berührung kommt, sich zersetzt, entstehen allein im Gartenbau Treibhausgasemissionen in Höhe von mehr als einer Million Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr.

Folglich soll diese Torfverschwendung signifikant reduziert werden. Daher schüttet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Gelder aus, um einerseits nach Torfersatzstoffen zu fahnden, andererseits mit Verfahren zur Rekultivierung von Mooren zu experimentieren. Hans Joosten, Professor für Moorstudien von der Uni Greifswald, der das Ohr des Weltklimarats IPCC hat und der sein Metier lieber Palidikultur (nach palus, dem lateinischen Wort für Sumpf) nennt, ist auf beiden Feldern engagiert. Mit Torfmoosen glaubt er bereits einen tauglichen Torfersatz gefunden zu haben.

Die gedeihen aber nur auf wiedervernäßten Hochmoorflächen, die in Deutschland selten sind. Also will der Niederländer wenigstens einen Teil der für agrarische Nutzung trockengelegten Moore zurückgewinnen. Da staatlich finanzierter Grunderwerb dafür ausscheidet, müssen sich die Eigentümer von Vorteilen einer „nassen Landwirtschaft“ überzeugen lassen. Darum prüft Joosten, welche Pflanzen sich für feuchte Anbaumethoden und lukrative Vermarktung eignen. Als die Favoriten seines Versuchsfeldes erwiesen sich zwei Rohrkolben- und fünf Schilfarten, deren Ernte 2020 erstmals ansteht. Für Rohrkolben als Dämm- und Baumaterial wie als Viehfutter gäbe es gute Absatzchancen, ebenso für Schilf, das traditionell Reetdachhäuser ziere und neuerdings vermehrt in Bauplatten verarbeitet werde (Forschungsfelder, 1/20).