© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/20 / 26. Juni 2020

Pöbeln unter Polizeischutz
Clan-Kriminalität: Der Rapper Bushido beleidigt ungestört seine Konkurrenz – bewacht von Beamten, die der Steuerzahler finanziert
Björn Harms

Das nächste Album des Rappers Bushido, bürgerlich Anis Ferchichi, ist in Planung. „Sonny Black 2“ soll es heißen und im September erscheinen. Was darf dabei nicht fehlen? Richtig, ein Haufen Beleidigungen gegen alles und jeden. Jahrelang zogen die Schimpftiraden des mittlerweile 41jährigen gegen Politiker, Prominente, die Polizei, aber auch diverse Rapkollegen zahlreiche Probleme und juristische Streitereien nach sich.

Dennoch galt Bushido auf der Straße stets als unantastbar, schließlich schützte ihn sein „breiter Rücken“, namentlich die arabische Clan-Familie Abou-Chaker. Nun ist der Grund für seine Unantastbarkeit ein anderer: Seit geraumer Zeit steht Anis Ferchichi unter Polizeischutz des Landeskriminalamts (LKA) in Berlin.

Dieser war nach der Trennung des Rappers von der arabischen Großfamilie im März 2018 nötig geworden. Denn Bushido hatte beim Landeskriminalamt ein umfangreiches Geständnis abgelegt und den Clan schwer belastet.

Sollten die Kinder von Bushido entführt werden?

Dessen Oberhaupt Arafat Abou-Chaker war 14 Jahre lang Teilhaber von Bushidos Plattenlabel, die beiden führten gemeinsam eine millionenschwere Immobilienfirma. Es geht um Geld, sehr viel Geld. Dazu kommen die Vorwürfe der versuchten Anstiftung zur Entführung von Bushidos Kindern gegen Arafat Abou-Chaker, der die Vorwürfe jedoch bestreitet. Der Konflikt ist bitterernst, besitzt aber eine zutiefst ironische Wendung: Noch vor wenigen Jahren rappte Bushido gegen seinen ehemaligen Musikerkollegen Kay One, der ebenfalls jahrelang mit dem Abou-Chaker-Clan unterwegs war und sich dann traute, gegen die Familie auszusagen, die Zeile: „Wenn ich will, geh’ ich spazieren am Alexanderplatz. Eine Freiheit, die du als ein Informant nicht hast.“ Mit der Polizei zu sprechen, jemanden zu verraten, das ist in der Szene ein absolutes Sakrileg. Nun tauchen immer wieder Videos im Netz auf, die zeigen wie Bushido einkaufen geht oder das Kino besucht – stets umringt von mehreren Beamten des Berliner LKA.

Die Situation wirkt absurd: Während Bushido auf Staatskosten geschützt wird, beleidigt er weiterhin ungestört andere Rapper aus der Gesangskabine heraus. Vor allem auf seinen ehemals besten Freund, den Rapper Fler alias Patrick Losensky, hat er es abgesehen: „Dieser kleine Hurensohn Flizzy will im Hintergrund die Strippen ziehen“, heißt es in der kürzlich veröffentlichen Single „Blei“. Vollmundig kündigt Bushido in dem Lied an: „Das Album wird ’ne Blutfehde.“ 

Fler wiederum ist mit Mitgliedern des Abou-Chaker-Clans gut befreundet und hatte bereits im vergangenen Jahr Bushido öffentlich dazu aufgefordert, die Angelegenheit „nach 20 Jahren endlich wie Männer zu klären, ohne Rücken, ohne LKA“. Die Berliner Polizei steht zwischen den Stühlen und führte bereits mehrere sogenannte Gefährderansprachen bei Fler durch.

Sie will jedoch „aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes sowie der Schutzwürdigkeit polizeilicher Maßnahmen“ keine Fragen zu dem Streit um Bushido beantworten, wie eine Sprecherin der Berliner Polizei der JUNGEN FREIHEIT mitteilt. Auch über die Kosten des Polizeischutzes könne keine Auskunft gegeben werden.

Fest steht: Der Einfluß der Organisierten Kriminalität auf die Geldquelle Rapmusik wächst. „Für Berlin, aber auch bundesweit, ließ sich grundsätzlich beobachten, daß Angehörige ethnisch abgeschotteter, arabischstämmiger Strukturen und Rockergruppierungen ihre eigenen ‘Künstler’ unterhielten oder durch die Stellung eines sogenannten ‘Rückens’ förderten“, teilt die Polizei der JF mit. 

Laut ihren Erkenntnissen sei „seit circa 2018/2019 ein aktives Recruiting von ‘Gangster-Rappern’ durch kriminelle Strukturen zu beobachten“. Die Verbindung werde „sichtbar in die breite Öffentlichkeit“ getragen, unter anderem durch Präsenz in Musikvideos, „in welchen die Künstler neben ihren ‘Familien und Freunden’ gezeigt werden oder auch durch „offensive Konzertbegleitung“.

Staatsanwaltschaft strebt neuen Prozeß an

Auch rund um die Akte Abou-Chaker/Bushido wird in näherer Zukunft keine Ruhe einkehren. Zuletzt stattete die Berliner Polizei der Clan-Familie am 4. Juni einen Besuch ab. SEK-Beamte durchsuchten zwei Wohnungen. Clan-Chef Arafat Abou-Chaker schäumte vor Wut und machte Bushido verantwortlich. „Mit deinen Lügen über drei Jahre alte Geschichten kommst du nicht weit“, wetterte der 44jährige auf Instagram. „Bisher habe ich meinen Mund gehalten, aber bald rede ich mal“, drohte er seinem Rivalen. „Nur nicht mit deinen Polizei-Freunden, die dich schützen, obwohl du Leute in deinen neuen Tracks als Hurensöhne bezeichnest.“

Inzwischen wurde nach Justizangaben eine Anklage gegen den Clan-Chef und weitere Verwandte aufgrund mehrerer Straftaten erhoben. Unter anderem wird dem Familienoberhaupt vorgeworfen, seinen früheren Geschäftspartner Bushido im Januar 2018 im Büro eingesperrt und mit einer Flasche und einem Stuhl verprügelt zu haben, um eine Abfindung zu erpressen. Der Prozeß soll am 17. August beginnen.